Ist Lars Ulrich eigentlich ein guter Schlagzeuger?
Wenige Fragen erhitzen die Metal-Gemüter so wie diese: Was taugt Lars Ulrich als Drummer eigentlich?

Über keinen bekannten Drummer werden mehr Witze gemacht als über Metallica-Schlagzeuger Lars Ulrich. Keiner steht öfter (zumindest im Internet, wo es an Kritikern wahrlich nie mangelt) im Kreuzfeuer der Kritik als er, keiner ist öfter Stoff für Memes.
Andererseits: Auch kein Schlagzeuger hat Heavy Metal so entscheidend geprägt und miterfunden wie der gebürtige Däne – und das nicht nur als Drummer, sondern auch als Songwriter, Bandgründer, Co-Chef, Arrangeur, Sprachrohr und in vielen anderen Funktionen. Grund genug, uns mal die Frage zu stellen: Ist Lars Ulrich eigentlich ein guter Drummer?
Warum soll Lars Ulrich eigentlich ein schlechter Drummer sein?
Stellen wir die Frage mal andersherum: Warum soll Lars Ulrich eigentlich ein schlechter Drummer sein? Viele kritisieren etwa Ulrichs Timing. Wiederum andere meinen, dass seine Grooves einfach immer sehr basic sind, nie ausgefeilt oder gar virtuos. Besonders im Metal-Bereich gibt es schließlich sehr viele virtuose Drummer – und zu denen wird Ulrich gemeinhin nicht gerechnet. Oft wird sich auch darüber lustig gemacht, dass er vermeintlich stets dieselben Snare-Fills spielt oder die Becken immer auf die Eins schlägt. Oft einfach drüberrudert, ohne Rücksicht auf Verluste und Groove.
Dazu kommt, dass er eine durchaus polarisierende Figur ist. Nicht erst seit der Doku „Some Kind Of Monster“ und der Klage gegen Napster, aber dadurch natürlich ganz besonders. Wir kennen ausreichend Behind-the-Scenes-Material von Metallicas Proben und Studioaufnahmen – und klar, nicht immer gelingt Ulrich (genauso wenig wie Kirk Hammett) sofort ein kreativer wie spielerischer Glücksgriff auf seinem Instrument. Der eine oder andere frustrierte Blick vom Kollegen Hetfield ist da durchaus interpretierbar. Lars Ulrich ist weder „The Atomic Clock“ (das ist sein Drum-Kollege Gene Hoglan) noch die Definition von „in the pocket“.
Lars Ulrich: Das sagen seine Kollegen zur Frage
Was aber meinen eigentlich die anderen? Lassen wir etwa Dave Lombardo zu Wort kommen. Der gilt als einer der technisch besten Metal-Drummer überhaupt, schrieb mit Slayer Thrash-Geschichte und spielte auch in zahlreichen anderen grandiosen Bands. Auf die Frage, ob Lars ein guter Drummer sei, antwortete Lombardo im Interview mit dem Metal Hammer: „Ich ermahne die Leute, die Scheiße über ihn reden, ich mag das nicht. Man muss akzeptieren, wer Lars ist, und seinen Beitrag zum Sound von Metallica.“

Gojira-Drummer Mario Duplantier hat dazu eine noch ausführlichere Meinung: „Wir müssen ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen, denn es geht nicht darum, das Tempo zu erhöhen. Es geht um das, was er in der Vergangenheit geschaffen hat. Ich bin es ein bisschen leid, all diese Gespräche über Lars zu sehen, denn was er geschaffen hat, ist ziemlich einzigartig. Hört euch das verdammte …And Justice For All an. Es ist erstaunlich“, so der Drummer im Gespräch mit „Revolver“. Duplantier weiter: „Es ging nicht um die Technik, weißt du? ‚Ist es tight? Spielt er [gut]?‘ Das war mir egal. Ich habe einfach jemanden hinter dem Schlagzeug gesehen. Eine echte Persönlichkeit.“
Auch Green-Day-Frontmann Billie Joe Armstrong lobt Ulrich. „Lars hat eine wirklich unorthodoxe Art zu spielen. Ich denke, er ist ein wirklich kreativer Schlagzeuger. Ich denke, dass die Metal-Schlagzeuger seines Genres, die von Metallica beeinflusst wurden, viel studiert haben, an der Art, wie andere Leute spielen“, meinte er in einem Interview mit Howard Stern.
Armstrong fuhr fort: „Aber ich denke, dass die Art und Weise, wie er und James Hetfield zusammen spielen, einfach im Gleichschritt ist. Seine Drum Fills sind völlig anders als die Art, wie Lars spielt. Ich mag die Art, wie Lars spielt, wirklich sehr. Er ist ein großartiger Schlagzeuger.“ Armstrongs Bandkollege Tré Cool fand das ebenfalls und ergänzte: „Und seine Energie ist ansteckend. Er ist wie ein Heavy-Metal-Muppet“.
Also was jetzt: Ist Lars Ulrich ein guter Drummer?
Lars Ulrich ist wahrscheinlich der wichtigste Metal-Drummer aller Zeiten. Nicht technisch – da gibt es genügend andere, die ihm das Wasser reichen können. Aber darum geht es bei Ulrich nicht. Lars Ulrich hat mit Metallica die größte Metal-Band aller Zeiten geschaffen, mit seinem Schlagzeugspiel Generationen von Drummern beeinflusst und geprägt und ist einfach wiedererkennbar. Ohne Metallica und damit ohne Lars Ulrich wäre das Metal-Genre nicht dasselbe. Lars Ulrich ist ein Wegbereiter, ein Pionier und einer der wenigen Superstars, die das Genre tatsächlich hervorgebracht hat. Wir reden noch heute über seine durchaus fragwürdige, aber irgendwie auch faszinierende Snare auf St. Anger. Metallica füllen auch mit über 60 Jahren noch die Stadien. Klar, auch der Autor dieser Zeilen hat schon mal ein Metallica-Konzert erlebt, bei dem der Groove-Funke nicht so ganz überspringen wollte – besonders bemerkbar, weil vor Metallica Slayer spielten, damals mit Dave Lombardo (richtig, auf der Big-4-Tour) 2010.

Lars Ulrich zu verspotten ist im Internet ein Sport oder eine Art Running Gag geworden – aber es ist eigentlich auch ziemlich billig. Es ist so originell, wie 2024 Coldplay- oder Nickelback-Witze zu machen.
Lars Ulrich ist als Drummer ziemlich sicher kein Genie und technisch gesehen auch nicht der beste Drummer. Er ist weder Dave Lombardo noch Mike Portnoy, weder Gene Hoglan noch Mike Mangini, weder Mario Duplantier noch – ach was – Terry Bozzio oder Neil Peart. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Aber, nochmal: Einer der wichtigsten Metal-Schlagzeuger aller Zeiten ist er definitiv. Auf dem, was Ulrich erschaffen hat, haben Generationen an Schlagzeugern aufgebaut. Und klar, viele sind spielerisch darüber hinausgewachsen, aber das schmälert Ulrichs Beitrag keineswegs.