Irrwitz und Bombast
Ein exzentrisches Konzept-Album soll den Erfolg von Muse noch steigern.
Es war wohl eine große Genugtuung: Anfang September spielten Muse zwei Tage lang in ihrer Heimatstadt Teignmouth, UK. Knapp 10000 Menschen waren jeweils da, so hört man, mehr oder minder der ganze Ort. Da stand Matt Bellamy auf der großen Bühne und war der Star, vor Familie, Nachbarn, Lehrern, Schulkameraden. „Ich war erstaunlich ruhig“, erzählt er ein paar Tage später. „Ich war auf der Bühne nicht so aufgeregt wie sonst und habe richtig viel mit den Leuten geredet.“ Bellamy erzählt auch von anderen Gefühlen – die des verklemmten, übersehenen Schuljungen, der als Star heimkehrt und von der ganzen Gemeinde umarmt wird. Sicher, das sei toll gewesen, sagt er – und muss lachen.
Selbstvergewisserung ist auch das Thema des neuen Albums von Muse. „The Resistance“ist das erste Werk, das das Trio ohne fremde Hilfe aufnahm, daheim in Bellamys Studio am Lago di Como, Italien. „Auf den letzten Alben gab es immer etwas, das nicht richtig zur Geltung kam“, erklärt Bellamy, „wir gehen als Band sehr weit. Unsere Produzenten konnten das oft nicht nachvollziehen.“
Wenn man das Album zum Maßstab nimmt, kommt jetzt noch mehr Bombast, noch mehr Irrwitz: Dasteht am Ende ein dreiteiliges Werk für Band und Orchester namens „Exogenesis – Simphony Part I-III“, das vermutlich wirklich kein Rock-Produzent widerspruchslos hingenommen hätte. Bellamy tobt sich in endlos dramatischen Harmoniegebilden aus, es ist von allem zu viel. „Dass wir das Lied eine Sinfonie genannt haben, ist natürlich ein bisschen ironisch“, sagt Bellamy. „Wir haben noch nie etwas so Komplexes gemacht, und die Leute erwarten förmlich, dass wir uns dafür einen dämlichen Namen ausdenken. Wenn wir so weit gehen, ist da immer ein humorvolles Element dabei.“
Abgesehen vom überkandidelten Finale präsentieren Muse auf „The Resistance“ schrille, aber durchaus ökonomische Lieder, deren Extrem in der stilistischen Pointierang liegt. Glam, Pop, Metal, 80s-Elektro, Abba und Queen – die Melodien sind atemberaubend flamboyant, der Sound ist dunkel und kraftvoll. Eine große Platte.
Inhaltlich geht es um eine exzentrische Geschichte von Revolution, Liebe und einen totalitären Staat namens Eurasia. Öl auf das Feuer derjenigen, die den bisweilen sonderbaren Sänger für einen Freak halten. Bellamy lässt Raumschiffe ins All fliegen und die Menschheit schließlich einen neuen Planeten besiedeln, um den evolutionären Kreislauf von vorn zu beginnen. „Ja, es wird ein bisschen Science Fiction“, grinst Bellamy, der mit Selbstironie kein Problem hat. Gott sei es gedankt!