Iron Maiden live in Berlin: Ein Ritt in der Geisterbahn des Dorfrummels
Iron Maiden sind auch 2016 noch ein Band gewordener Erlebnispark mit erstklassiger Geisterbahn und Flugsimulator. Zehn Beobachtungen zum Auftritt in der Berliner Waldbühne.
1. Iron Maiden haben als Band so ziemlich die coolste Coorporate Identity, die man sich denken kann, und hinter KISS wohl auch den größten Merchandise-Umsatz: Die Schlangen vor den Ständen der schwitzenden T-Shirt-Verkäufer sind vor Beginn des Konzerts stellenweise ähnlich lang wie vorm Bierausschank.
2. „This is a historical place. But fuck history! We play rock n‘ roll tonight!“ ruft Bruce Dickinson in die einst von Goebbels in Auftrag gegebene Waldbühne. Von wegen „Fuck History“: Die Songs der Setlist ihres 150. Deutschlandkonzertes decken unter anderem folgende historische Themen ab: Luftschlachten des ersten Weltkriegs („Death Or Glory“), den Krimkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts („The Trooper“) sowie den Untergang der Maya-Kultur („Book Of Souls“).
3. Maiden-Maskottchen Eddie sieht auf Album-Cover und Bühnen-Backdrop endlich wieder cool aus. Die obligatorische Eddie-Puppe, die bei „The Book Of Souls“ auf die Bühne stakst, wirkt jedoch immer noch so, als wäre sie direkt aus der Geisterbahn eines in den 80er-Jahren hängengebliebenen Dorfrummels entsprungen.
4. Die Band rennt in den Maya-inspirierten Kulissen vor und zurück wie Rennmäuse in einem Labyrinth. Warum Gitarrist Janick Gers dabei immer wieder mit seinen weißen High-Top-Sneakern gegen die Monitorboxen tritt? Man weiß es nicht. Der Sound ist für eine Open-Air-Bühne überraschend satt.
5. Bruce Dickinson ist der einzige „True“-Metal-Sänger, der sich so sehr von der Ernsthaftigkeit des Genres freigeschwommen hat, dass er auch mit einem Plüschäffchen um den Hals von Tod & Ehre singen kann.
6. „Fear Of The Dark“ setzt genau in der Dämmerung ein. Zufall oder mit führenden Berliner Meteorologen ausgeknobelt?
7. Nach der Zugabe „Wasted Years“ wirft die Band wie von einem Karnevalswagen Plektren, Drumsticks und Schweißbänder in die begeisterte Menge. Metal-Kamellen for the Masses.
8. Der boxernasige Nicko McBrain geht als letzter von der Bühne. Obwohl die Krebsdiagnose von Sänger Bruce Dickinson den Maiden-Schlagzeuger dazu inspirierte mit dem Trinken aufzuhören, erinnert der Wein-Kenner mit seinem zunehmend größer werdenden Fassbäuchlein schon jetzt gefährlich an Gerard Depardieu.
9. Die Promenade zur Waldbühne ist nach dem Konzert gesäumt von Gitarristen, die für Kleingeld Metallica- und Iron-Maiden-Songs technisch perfekt nachspielen. Wohnen möchte man in der Gegend jedoch nicht.
10. Fazit: Iron Maiden sind auch 2016 noch ein Band gewordener Erlebnispark mit erstklassiger Geisterbahn und Flugsimulator.