Interview mit Vinnie Who: „Meiner Oma erkläre ich immer, dass ich Disco-Musik mache.“
In Dänemark gilt Niels Bagge Hansen alias Vinnie Who seit der Veröffentlichung des Debüts „Then I Met You“ als strahlender „Disco-Prinz“ des Landes. Beim SPOT Festival in Århus schnappten wir uns den 23-jährigen Sänger zum Interview.
„Vinnie wer?“ – In etwa diese Reaktion hat Niels Bagge Hansen alias Vinnie Who beabsichtigt, als er nach einem Namen für sich und seine sechsköpfige Band Ausschau hielt. Man soll sich genau diese Frage stellen, wenn man zum ersten Mal mit dieser geschlechtsuneindeutigen Bezeichnung konfrontiert wird. In seiner Heimat Dänemark überschlagen sich auch ohne große Verwunderung die Lobeshymnen für das im Jahr 2010 veröffentlichte Debüt „Then I Met You“ und vor allem auch für seine eindrucksvollen Auftritte, die das Disco-Fieber wieder aufleben lassen. Die Singles „Remedy“ und „What You Got Is Mine“ schafften in den dänischen Air-Play-Charts beide den Sprung auf die Pole Position.
Ein bisschen Kitsch, eine Prise Beat, ab und an klassische Geigenklänge und eine hohe Gesangsstimme – das sind die Zutaten für den Pop-Longplayer des 23-jährigen Dänen. Ein farbenfrohes Album, das vielleicht am ehesten an die Scissor Sisters erinnert und eine stimmungsgeladene Tanz-Atmossphäre kreiert.
Diese Atmosphäre verbreiten Niels Bagge Hansen und seine Band auch bei ihren Bühnen-Shows, mit aufwendigen Kostümen, experimenteller Instrumentierung und – so wie es sich für richtiges Disco-Feeling gehört – mit vielen Tanzeinlagen. Kein Wunder, dass der Sänger und seine Band-Kollegen immer wieder gern gesehene Gäste bei großen skandinavischen Festivals wie Iceland Airwaves oder Roskilde sind. Auch beim diesjährigen SPOT Festival in Århus galt es, Disco-Pop-Stimmung unter das Festival-Folk zu mischen.
Im Gegensatz zu seinen glamourösen Live-Shows wirkt Vinnie Who in unserem Interview am Rande des Festivals sehr bodenständig, fast ein wenig schüchtern und verlegen. Er lächelt viel und berichtet, dass seine Musik-Wurzeln überraschenderweise ganz und gar nicht in fröhlichen Pop-Melodien lagen. Aber lesen Sie nun selbst in unserem Interview:
Wofür steht der Künstlername „Vinnie Who“ eigentlich?
Ich habe mir eigentlich erst im Nachhinein darüber Gedanken gemacht. Zunächst mochte ich den Namen „Vinnie“ einfach und fand, dass er sehr leicht zu erinnern ist. Ein Freund von mir brachte mich darauf. Ich mag, dass er sowohl als einzelner Künstler- als auch als gemeinsamer Bandname funktioniert. Das passt sehr gut zu dem, was ich mache. Es ist ein sehr schöner Name, der einer Frau als auch einem Mann angedacht sein könnte. Viele Leute, die mich zum ersten Mal singen gehört haben, ohne mich vorher zu sehen, haben nämlich gedacht, das sei eine Frau, die dort singt (lacht).
Skandinavische Musik klingt oft eher melancholisch. Dein Sound unterscheidet sich davon und versprüht ein positives Lebensgefühl. Warum hast du dich dazu entschlossen einen anderen Weg einzuschlagen?
Um ehrlich zu sein, war ich früher auch Mitglied in mehreren Indie-Bands. Wir spielten Post-Rock und hatten oft einen sehr melancholischen Sound. Ich denke, das was ich heute mache, ist eine Reaktion auf das, was ich früher getan habe. Ich musste einfach etwas Neues ausprobieren. Also habe ich eine komplett andere Richtung eingeschlagen und mich für – manchmal auch sehr trivial klingende – Disco-Musik entschieden (lacht). Es war natürlich hart meinen Freunden und Band-Kollegen beizubringen, dass ich nun Musik produziere, die einen Beat hat und aus Pop-Melodien besteht. Aber ich habe eben auch herausgefunden, dass ich im Grunde selbst schon immer ein sehr großer Fan dieser Art von Musik war.
Ich habe mich generell gefragt, ob es etwas gibt, was einen typisch dänischen Sound ausmacht? Wie klingt denn dänische Rock- oder Pop-Musik am ehesten?
Ich denke, es stimmt schon, dass Indie-Bands aus Skandinavien generell eher sehr düster und traurig klingen. Ich muss sagen, dass ich auch selbst nach wie vor gern diese Musik höre. Eigentlich kann man auch in meinem kleinen Universum, oder wie immer man das auch nennen mag, eine dunkle Seite ausmachen, was beispielsweise meine Songtexte angeht. Ich habe also auch immer noch meine kleinen düsteren Momente.
Deine Songs sind eine Mischung aus klassischen Elementen gemixt mit Elektrobeats und Pop-Melodien. Es ist gar nicht so einfach deinem Sound ein Genre zuzuordnen. Wie würdest du die Musik, die du machst, selbst beschreiben?
Meiner Oma erkläre ich immer, dass ich Disco-Musik mache. Aber es ist manchmal einfach schwer, auch für mich selbst, meine Musik in bestimmte Schubladen zu packen. Also bleibe ich dabei und bezeichne es als moderne Pop-Musik.
Was ist der deiner Meinung nach packendste Song auf deinem Album „Then I Met You“ und was ist die Geschichte, die dahinter steckt?
Das ist „Rise With You“, ein sehr langer und experimenteller Song. Er war eines der ersten Tracks überhaupt, den ich für das Album geschrieben hatte und am Anfang mochte ich ihn überhaupt nicht. Und dann habe ich ihn meiner Plattenfirma vorgespielt und sie waren dem Song augenblicklich verfallen. Nach und nach begann ich auch das Lied zu mögen und es ist mittlerweile einer meiner Lieblingssongs des Albums. Der Song handelt davon älter zu werden, ein Apartment zu bekommen und eben einfach ins Erwachsensein hinein zu wachsen. So singe ich beispielsweise „I’ve got a bathroom, too“. Das war eben auch der erste Song, den ich geschrieben habe, als ich gerade von meinen Eltern ausgezogen bin in mein eigenes Apartment.
Welche Künstler haben dich auf deinem Weg zur Musik-Karriere inspiriert?
Am meisten wohl Thom Yorke. Als ich zur Schule ging, waren Radiohead wirklich die einzige Musik, die zu mir durchgedrungen ist. Keine andere Band kam da ran. Ich wollte selbst wie Thom Yorke oder wie Radiohead sein (lacht). Über die Jahre sind dann doch auch andere Künstler dazu gekommen, wie zum Beispiel Talking Heads oder Roxy Music.
Welche Rolle spielen Look und Outfits bei euren Bühnen-Shows?
Eine große Rolle, denn man muss sich wohl fühlen, mit dem, was man ausstrahlt, wenn man die Bühne betritt. Bei unseren Auftritten ist das wichtig, denn wir performen ja quasi als „Pop-Stars“. Und da muss man sich eben gut fühlen mit seinem Look, um sich in dieser Rolle voll ausleben zu können.
Welche dänischen Künstler, die hier gerade beim SPOT Festival spielen, kannst du uns denn persönlich noch empfehlen?
Auf jeden Fall When Saints Go Machine und Shanghai, die momentan meine Lieblingsband sind. Auch Emma Acs und Jenny Wilson und den Punk-Rock von Iceage kann ich sehr empfehlen.