Interview mit Regisseur Lars von Trier: „Vielleicht gehe ich zu weit…“
Zum Geburtstag von Lars von Trier ein Gespräch mit dem Regisseur über die Lust am Extrem, die Evolution der Gewalt und seinen Film „The House That Jack Built“.
Zunächst würde ich gern etwas über Ihre Ausgangsideen erfahren: Wie kamen Sie dazu „The House That Jack Built“ zu drehen?
Lars von Trier: Jenie Hallund, eine Frau, mit der ich zusammenarbeite, fragte mich irgendwann, ob ich nicht etwas über die Hölle machen wollte? Ich fand das einen guten Einfall. Meine früheren Frauen waren aus irgendeinem sonderbaren Grund richtig verrückt nach allem, was mit dem Thema Serienkiller zu tun hatte. Wenn ich meine Ex-Frauen als Maßstab nehme, ist Serienmord etwas, das Frauen mehr fasziniert, als mich, oder andere Männer, die ich kenne. Und darum dachte ich, ich könnte auch andere Leute dafür interessieren. Ich habe das Genre genommen, und gewissermaßen gedreht und verzerrt. Das Ergebnis ist „The House that Jack built“.
Heißt das, Sie glauben, dass sich Ihr neuer Film mehr an weibliches Publikum richtet?
LvT: Nun, „richtet“ würde ich nicht sagen, aber die erwähnte Disposition meiner Ex-Frauen hat mich neugierig gemacht. Ich richte mich nie an ein bestimmtes Publikum. Für mich war das Thema nicht so interessant, andererseits wurde es Zeit, dass wir im Kino derart durch die Hölle gehen. Das ist lange nicht mehr passiert.
In „The House that Jack built“ benutzen Sie auch einige Ausschnitte aus Nazi-Filmen, NS-Wochenschauen Bilder des Faschismus. Warum das? Repräsentiert das für Sie das ultimative Böse? Wollten Sie Bilder für die Hölle finden? Was waren Ihre Gedanken?
LvT: Wenn ich an Dokumentarfilme über die NS-Zeit denke, die ich sehe, fällt mir auf, dass deutsche Filme viel hasserfüllter sind, als dänische. Da würden die Fakten genügen. In deutschen Filmen, wird immer klargemacht, dass das böse ist. Ich reize meine Themen immer bis zum Extrem aus. Vielleicht gehe ich zu weit. Die Figur Jack spricht in Bildern des Dritten Reichs und seiner Folgen. Es sind Bilder extremer Brutalität und des Mordens. Bösen. Besonders jene Bilder, in denen Bulldozer Leichen zusammenschieben, sind in meiner Sicht Bilder des absolut Bösen. Die Menschen sind tot, aber man sieht das Leiden immer noch. Ein sehr starkes Bild.
Die dramaturgische Struktur Ihres Films und die Kapitel erinnern an die Höllenfahrt in Dantes „Göttlicher Komödie“…
LvT: Ich habe Dante gelesen. Es scheint, als hätte Dante vor allem den Teil genossen, der von der Hölle handelt. Darin konnte er sich an seinen vielen Feinden rächen. Den Himmel zu beschreiben, war dagegen gar kein Vergnügen. Der Himmel ist kein Spaß [LACHT]. Ich mag ja generell Kapitel in meinen Filmen. Das liegt an Stanley Kubricks Film „Barry Lyndon“, den ich liebe. Davon habe ich gelernt. Das hilft dem Publikum, alles zu strukturieren und nachzuvollziehen. Tatsächlich wollte ich eine Evolution und Eskalation der Gewalt zeigen: Es beginnt mit einem Mord aus Zufall, und wird immer sadistischer. Es geht nicht anders. Jack ist sehr böse. Was er sagt macht logisch einen gewissen Sinn, wenn auch nicht sehr viel: Mord als schöne Kunst betrachtet.
Die Kapitel sind sehr verschieden, die Atmosphäre, ihr Geschmack… Warum?
LvT: Ja. Gut so. So soll es sein. Wissen Sie, jemand wie ich, dessen bestes Fach früher in der Schule immer Mathematik war, endet immer wieder in Logik und ihren Mustern. Egal wie sehr ich dagegen ankämpfe.
Wo entstehen Ihre Filme eigentlich hauptsächlich? Ist schon nach der Vorbereitungsphase alles fertig? Beim Drehen selbst? Oder vor allem danach im Schneideraum?
LvT: Ich mag den Prozess im Schneideraum sehr. Die Szenen vorher zu filmen – das ist eher wie der Gang zum Supermarkt: Man holt sich alles Mögliche, nimmt sich, was man braucht, darf nichts Wesentliches vergessen, und besorgt sich im Zweifelsfall etwas zu viel von allem. Dann fährt man nach Hause und kocht. Das Drehen selbst kann manchmal etwas hart sein. Für mich jedenfalls. Aber im Schneideraum, da habe ich dann wirklich die Kontrolle.