Interview mit Bonamassa & Hart: „Manchmal sind die Vergleiche eine Bürde“
Joe Bonamassa und Beth Hart covern auf "Don't Explain" Songs von Ray Charles, Billie Holiday, Aretha Franklin, Gil Scott-Heron und anderen. Nach dem Entweder-Oder im Oktober-Heft folgt an dieser Stelle das Interview zum Album.
Beth Hart hat Janis Joplin in einem Musical gespielt, und sie hat auf den Straßen von Los Angeles gespielt. Sie hat Heroin genommen, und ihre Schwester an Heroin verloren. Sie kennt den Amy-Winehouse-Weg. Doch zwischen den beiden Sängerinnen gibt es einen entscheidenden Unterschied: Beth Hart hat den richtigen Mann geheiratet. Sie wurde clean, lernte, mit ihrer bipolaren Störung zu leben und promotet ihre Musik inzwischen auch schon mal im Frühstücksfernsehen eines deutschen Privatsenders – ganz freundlich und professionell. „Don’t Explain“ heißt ihr aktuelles Album. Aufgenommen hat sie es mit Produzent Kevin Shirley (Iron Maiden, Aerosmith) und Joe Bonamassa.
Bonamassa ist ein umtriebiger Blues-Gitarrist, der schon als Kind von B. B. King für sein Spiel gelobt wurde und permanent mit Projekten, Solo-Alben und Gastbeiträgen für die Werke anderer Künstler beschäftigt ist. „Don’t Explain“ basiert auf seiner Idee: ein Album voller Blues- und Soul-Cover. Nachdem sich Bonamassa und Hart in der Oktober-Ausgabe vom ROLLING STONE bereits einem Entweder-Oder unterzogen haben ( … „B. B. King oder Muddy Waters?“, „Aretha Franklin oder Janis Joplin?“ … ), sprechen wir an dieser Stelle über große Fußstapfen, Tom Waits und „eine Art Ike-&-Tina-Album“.
Beth Hart, als Joe Sie fragte, ob Sie auf „Don’t Explain“ singen wollen, haben Sie angeblich erst gedacht, er würde Sie nur als Background-Sängerin wollen.
Beth Hart: Ich war wirklich überrascht. Und dann war ich noch überraschter, als wir die Platte gemacht haben und ich während 99 Prozent der Zeit die Sängerin war. Wir haben nur ein Duett aufgenommen („Well, Well“ von Delaney & Bonnie). Ich war wirklich sehr glücklich und habe mich sehr wohl gefühlt, weil Joe und Kevin so sehr an mich geglaubt haben.
Sie waren allerdings schon vorher als fähige Sängerin bekannt. Was haben Sie denn gedacht, wer den Lead-Gesang übernehmen würde?
Hart: Joe. Ich dachte, Joe würde hauptsächlich singen.
Joe Bonamassa: Die Idee war von Anfang an, eine Art Ike-&-Tina-Album zu machen. Alter Stil – mit Coversongs zwar, aber coolen Songs. Beth Hart ist eine der Weltklasse-Sängerinnen unserer Tage. Sie könnte es mit jedem aufnehmen! Ich singe zwar auch ein bisschen, aber nicht mal annähernd auf dem Level einer Beth Hart.
Auf Ihrem Album findet man Songs, die im Original von Billie Holiday, Gil Scott-Heron, Etta James oder Melody Gardot stammen. Wie haben Sie entschieden, ob Sie einen Song covern? Mussten Sie sich in einigen Fällen erst gegenseitig überzeugen?
Hart: Nein, die wurden einfach ins Spiel gebracht. Ich weiß sehr zu schätzen, dass Joe und Kevin sich darum gekümmert haben, welche Songs ich wirklich singen wollte. Das ging sogar so weit, dass ich sie irgendwann gefragt habe: „He, warum lasst ihr mir so viel Spielraum?“
Bonamassa: Wir antworteten: „Am Ende des Tages musst du die Songs verkaufen.“ Wenn die Sängerin einen Song nicht mag, kann man ihn nicht verkaufen – egal, wie gut die Band ist.
Hart: Das fand ich ziemlich cool, und es hat auch viel Druck von mir genommen. Wir wussten größtenteils vorher, welches Material wir aufnehmen würden. Die einzige Sache an der wir gemeinsam gearbeitet haben, waren die Arrangements. Das war auch sehr wichtig, weil wir den Gesang und die Instrumente gleichzeitig aufgenommen haben, wie bei einem Konzert. Aber auch während der Diskussionen über die Arrangements gab es nicht diese Bevormundung, die sonst oft bei Aufnahmen im Spiel ist – sei es vonseiten der Sängerin, des Produzenten oder des Gitarristen. Alle haben sich sehr respektiert.
Joe, gab es einen Song, bei dem Sie überrascht waren, dass Beth ihn singen wollte?
Bonamassa: Von „Don’t Explain“ hatte ich vorher noch nie gehört. Ich war regelrecht geschockt, wie gut er geworden ist.
Beth, Sie haben auch „Chocolate Jesus“ von Tom Waits ausgewählt. Waits hat eine ziemlich einzigartige, raue Stimme. Wie haben Sie Zugang zu diesem Song gefunden?
Hart: Ich bin ein großer Tom-Waits-Fan, und ich kenne dieses Album („Mule Variations“) seit es veröffentlicht wurde. Ich ging die Songs zu Hause in meinem Klavierzimmer durch, um zu sehen, wie ich sie interpretieren würde – nur aus Spaß. Als ich mich an „Chocolate Jesus“ gesetzt habe, bekam ich einen Vibe, der in eine Art french cafe-cabaret und eine sexuelle Richtung ging. Als ich den Song dann im Studio vorgestellt habe, hieß es: „Okay, so machen wir’s.“
Songs von bekannten Künstlern zu covern ist immer ein bisschen riskant, weil viele die ursprüngliche Version schon perfekt finden. Warum wollten Sie das Album trotzdem machen?
Hart: Es war Joes Idee, ein Album mit großen Soul-Songs zu machen. Als er mich fragte, welche Songs ich gerne aufnehmen würde, fiel es mir sehr leicht, eine Liste aufzustellen. Ich bin mein ganzes Leben von Joe Turner, Ray Charles, Etta James, Aretha Franklin, Otis Redding und all diesen Künstlern beeinflusst worden. Aber ich habe diese Musik nie auf einer meiner eigenen Platten gemacht. Um auf die Frage zurückzukommen: Die Songs wurden schon von so vielen Leuten großartig interpretiert, aber es gibt auch viele, die diese Sänger nicht kennen und dieses Material noch nie vorher gehört haben. Der andere Gedanke war: Ja, die besten Leute haben das schon gemacht. Aber vielleicht können wir der Sache unseren eigenen Dreh verpassen – und sie wird ebenfalls gut.
Bonamassa: Wir haben sicherlich keine Songs genommen, die schon extrem abgenudelt sind – „I’ve Been Loving You Too Long“ von Otis Redding oder so.
Sie werden beide oft mit den Größten Ihres jeweiligen Fachs verglichen: mit Janis Joplin, Robert Plant und Aretha Franklin oder diversen Gitarrenhelden. Empfinden Sie das manchmal als Bürde?
Hart: Ja, wenn ich müde bin oder besonders, wenn ich Material aufnehme, das dem dieser Leute ähnelt. Manchmal fühle ich mich, als hätte ich meine Stimme verloren und würde nur kopieren, was sie gemacht haben. Dann wieder, bei „Skin“, „Crashing Down“ oder anderen Songs von mir, fühle ich mich überhaupt nicht so. Gewissermaßen sind diese Vergleiche ein Kompliment; auf der anderen Seite versuche ich zu zeigen, dass ich meine eigene Stimme habe. Das schwankt so hin und her. Aber ich weiß nicht, ob das tatsächlich geschieht oder nur in meinem Kopf passiert, wenn ich unsicher bin.
Bonamassa: Mir ist es egal, ob man mich mit anderen Musikern vergleicht. Klar, man fühlt sich immer mal unsicher, aber letztendlich reagiert man darauf und hofft, dass sich alles zum Besten entwickelt.
Als Künstler versuchen Sie wahrscheinlich immer etwas für die Ewigkeit zu erschaffen. Im Bluesrock und Soul gibt es aber schon so viele Klassiker und Helden, dass es schwer sein dürfte, letztendlich mehr als eine Fußnote in der Musikgeschichte zu sein. Ist das ein Problem für Sie? Müssen Sie besser als Ihre musikalischen Vorgänger sein?
Hart: Ich glaube nicht an „besser“. Die einzige Sache, die gute Kunst ausmacht, ist, dass sie von einem aufrichtigen Ort stammt. Man muss kein großartiger Techniker sein, um ein großartiger Gitarrist oder Sänger zu sein. Aber wenn man nicht liebt, was man tut, spielt alles andere keine Rolle. Und die Leute können diesen Scheiß riechen: Es ist unwichtig, ob eine Person im Publikum nichts von Musiktheorie versteht – sie merkt trotzdem, ob etwas ehrlich ist oder nicht.
Bonamassa: Ich glaube nicht, dass man sich im Endeffekt bewusst ist, wenn man Geschichte schreibt. Es gibt nur wenige, die noch leben und bei denen schon klar ist, dass sie es getan haben: Clapton, B. B. King… Eine Handvoll Künstler.
Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: War das ganze Projekt eine einmalige Sache oder wird es eine Fortsetzung geben?
Bonamassa: Alle hatten so viel Spaß, dass wir 2013 wieder eine Session aufnehmen wollen.
Mit eigenen Songs oder erneut Cover?
Bonamassa: Keine Ahnung, es ist ja erst in anderthalb Jahren so weit.