Interview: Michael Mittermeier über Anfänge, Zuspätkommen und U-Bahn-Fahren
In seinem zweiten Buch erweist sich der bayrische Komiker wieder mal als scharfer Beobachter, aber auch als gewitzter Chronist seiner eigenen Geschichte
In seinem neuen Buch „Die Welt für Anfänger“ (KiWi) erzählt Michael Mittermeier von all den Anfängen in seinem Leben – als Mensch, als Mann, als Komiker, als Vater und noch einiges mehr. Wer viel lachen möchte, wird nicht enttäuscht, aber das Buch ist kein reines Witzfeuerwerk. Es scheint auch immer Mittermeiers Haltung durch – sei es in Lehrsätzen wie „Tritt nach oben, nicht nach unten“ oder Lebensweisheiten wie dieser: „Ich versuche immer, offen und unvoreingenommen die schönen, schlimmen, lustigen, schrägen, unerhörten, wahnsinnigen, zärtlichen oder harten Momente auf mich wirken zu lassen. Man fängt immer wieder neu an, das hört nie auf.“ Daran hat weder sein 50. Geburtstag noch der Erfolg etwas geändert – zum Glück. Fünf Fragen zum Anfangen, Zuspätkommen und Ideensammeln an den Comedy-Meister.
Du bist gerade mit Deinem Programm „Wild“ auf Tournee, gleichzeitig erscheint auch Dein zweites Buch. Wie schaffst Du das?
Das Buch hätte schon vor Ewigkeiten fertig sein sollen, aber es kam immer etwas dazwischen. Ich habe allerdings, glaube ich, auch noch nie etwas pünktlich abgegeben. Bei der Magisterarbeit muss man ja rechtzeitig abgeben, sonst hat man nicht bestanden. Es hieß: Um 12 Uhr muss das Teil auf dem Schreibtisch des Professors liegen. An dem Morgen bin ich zum Binden in den Copyshop gegangen. Wenn die Scheiß gebaut hätten, wäre es nichts geworden. Aber zum Schluss hin wird immer noch mal viel Adrenalin ausgeschüttet und dadurch Kreativität ausgelöst.
Wie kamst Du auf die Idee, über Anfänge zu schreiben?
Zuerst wollte ich nicht nur über meine Anfänge, sondern über Anfänge im Allgemeinen schreiben. Im Entstehungsprozess wurde mir dann aber immer klarer, dass es gar nicht nötig ist, über etwas Anderes zu schreiben – ich habe ja so viele Sachen angefangen in meinem Leben, und es sind so viele skurrile Dinge passiert, dass das reicht. Manches hat es nur bisher nicht auf die Bühne geschafft, weil es vielleicht zum Erzählen nicht plakativ genug ist, weil es geschrieben schöner wirkt, manches auch, weil ich gar nicht mehr daran gedacht habe. Die Geschichte mit der Biene Maja auf der Reeperbahn: Die muss ich jetzt bald live bringen, da komme ich nicht drumrum.
In dem Buch schreibst Du zum Beispiel auch über Deinen ersten Sex. Hast Du nicht gezögert, weil das vielleicht zu privat ist?
Ich denke da gar nicht drüber nach. Ich hatte nicht mal das Gefühl, dass so ein Kapitel privat ist. Das ist so lange her und so weit weg. Wenn ich „Die Welt für Anfänger“ schreibe und dann nicht über das erste Mal, sagen doch alle: „Und wo ist das erste Mal?“ Das gehört mit dazu. Ich habe nicht didaktisch ausgewählt, was reinkommt, sondern mich treiben lassen. Auch bei den Kindersachen: Ich hätte doch selbst nie gedacht, dass ich mal ein paar Seiten darüber schreibe, dass ich ein Palmesel bin! Als Erstinformation ist das ja gar nicht so lustig, aber dann kommt der Jute-Jesus auf dem Esel, der die Römer bezwingen soll, und so wird eine Geschichte draus.
Du arbeitest sehr viel, bleibt da überhaupt noch genug Zeit, neue Geschichten zu sammeln?
Natürlich, die Zeit muss man sich nehmen. Wenn ich nicht mehr ins Leben rauszugehe, dann habe ich nichts mehr zu erzählen – das ist ja bei allen Comedians, Schriftstellern, Musikern so. Wer nicht mehr in der Welt unterwegs ist, kann nur noch second hand erzählen. Ich habe nie Angst, dass mir nichts mehr einfällt. Ich muss mich nur in die U-Bahn hocken, schon sehe ich lauter Geschichten. Neulich sah ich eine Frau, die beim SMS-Schreiben eingenickt war, und als sie aufwachte, hat sie sofort, ohne eine Sekunde Pause, weitergetippt. Das fand ich so faszinierend, ich hätte gern gelesen, was sie geschrieben hat. Fast hätte ich sie gefragt: „Darf ich mal gucken, was Sie da…?“ Es passiert ständig irgendwas Lustiges. Und wenn man dazu noch neue Länder erlebt, wenn ich nach New York fahre oder zum Weißer-Hai-Tauchen, habe ich danach was zu erzählen. Der Stoff kann nie ausgehen.
Gehst Du auch gern auf Reisen, weil Du außerhalb vom deutschsprachen Raum nicht erkannt wirst?
Nein, damit hat das gar nichts zu tun, da habe ich kein Problem. In den drei Monaten, seit ich in Schwabing wohne, fahre ich viel U-Bahn, weil das Autofahren in der Stadt schrecklich ist. In der Zeit hat mich nur einmal jemand in der U-Bahn um ein Foto gebeten. Das war die ganze Ausbeute! Wer paranoid draußen rumläuft, zieht die Leute nur an. Außerdem kann man ja überall erkannt werden. Wir waren 1999 auf Hochzeitsreise in Australien, mit dem Auto durchs Outback. Ausgestiegen, stundenlang zu einem Wasserfall gewandert, keiner außer uns sechs Leuten war da. Wir: Klamotten runter, ins Wasser. Ich schwimme und höre plötzlich einen vom Berg runterschreien: „Ey, da unten is‘ ja der Mittermeier!“
Michael Mittermeier: „Die Welt für Anfänger“ (KiWi, 320 Seiten, 14,99 Euro)
Tour-Termine und andere Infos: http://www.mittermeier.de