Interkontinental-Gottesdienst
Nach einer misslungenen Reunion von The Verve widmet sich Richard Ashcroft nun mit einem illustren Ensemble der Verbindung von Soul und Hip-Hop. Sein Thema, wie er sagt.
Richard Ashcroft lud 2002 anlässlich seines zweiten Solo-Albums zu Gesprächen auf seine Farm bei Bristol ein. Die Audienzen waren eine Dokumentation der Unabhängigkeit, Ashcroft sagte sinngemäß: Ich brauche nicht die Stadt, ich brauche nicht den Ruhm. The drugs don’t work: Ich brauche nur mich selbst. Die Welt spürte, dass Ashcroft fremdelte, und hörte erst wieder hin, als Chris Martin ihn bei Live 8 den besten Sänger der Welt nannte und ins Vorprogramm von Coldplay lud. Ashcroft redete in etwas verwirrenden Halbsätzen von Verschwörungstheorien, dem Gott-Code und seiner eigenen Sonderrolle im Weltgeschehen (geboren am 11. September!). Mad Richard, so nannte ihn die englische Presse. Er war einer der großen Lads des Britpop, ein cooler Typ mit etwas seltsamen Assoziationsketten und weichem Herz.
So langsam entsteht ein zusammenhängendes Bild dieser Solokarriere: Ashcroft grenzte sich zwei Alben lang mit einer eigenwilligen Mixtur aus Pop und Soul von The Verve ab, um mit „Keys To The World“ 2006 zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Gute Konzerte waren das, weil Ashcroft ein Soul-Zeremonienmeister ist und den Leuten ein erhebendes Gefühl gibt.
Jetzt kommt Album Nummer vier, auf dem der Künstler nach Amerika reist. Der britische Soul-Rock trifft auf Hip-Hop und Urban, an den Reglern saßen No ID (Common, Jay-Z) und Reggie Dozier (Outkast, Stevie Wonder, Marvin Gaye). „Die musikalische Verbindung von Soul und Hip-Hop war schon immer mein Thema“, sagt Ashcroft, „oder fällt dir jemand ein, der ein Sample erfolgreicher verwendet hätte als ich in ‚Bittersweet Symphony‘?!“
RPA & The United Nation Of Sound heißt die neue Band, in ihr spielen US-amerikanische Session-Cracks von Mary J. Blige und Timbaland. Die Beats und Riffs auf „United Nation Of Sound“ sind groß, Ashcroft malt sein Bild mit grobem Pinsel und macht sich auf die Suche nach einem universellen und doch sehr amerikanischen Sound. Ein interkontinentaler Soul-Gottesdienst. „Ich habe starke Männer in meinen Shows weinen sehen“, sagt er. „Meine Musik bringt sie in Kontakt zu ihren wahren Gefühlen. Das ist es doch, was ein Sänger bewirken sollte.“
Die vorübergehende Reunion von The Verve will Ashcroft dagegen nicht zu hoch hängen. „Wenn überhaupt etwas erreicht worden ist, dann dass wir ein paar gute Shows gespielt haben. Ich singe die alten Songs gern, aber wir leben nun mal in einer Zeit, in der Nostalgie ein großes Geschäft ist. Wenn wir weitergemacht hätten, hätten wir die Aura von The Verve beschädigen können.“