KEB‘ MO und ALVIN YOUNGBLOOD HART – Der Blues lebt auch in der jungen Generation weiter.
Ins Musik-Museum gehört er noch lange nicht. KEB' MO und ALVIN YOUNGBLOOD HART geben Zeugnis davon, daß der Blues auch in der jungen Generation weiterlebt.
Von vielen belächelt, von manchen bereits (wie oft eigentlich schon?) totgesagt, zeigt der Blues an der Schwelle zum 21. Jahrhundert erstaunlich viele Gesichter. Ein Fall fürs Museum? Oder bestenfalls für die Ahnengalerie, wo zuletzt Johnny Copeland und Luther Allison Platz nehmen mußten – und B. B. und John Lee ihre Plätze längst reserviert haben? Wohl kaum.
Mal ist der Blues der 90er Jahre sehr jung, sehr rockig und sehr erfolgreich. Dann heißt er Jonny Lang und Kenny Wayne Shepherd. Oder er ist rauh, primitiv und irgendwie „postmodern“. Dann heißt er Jon Spencer. Oder er ist sehr cool, sehr feminin und trägt Pumps. Dann hört er auf die Namen Susan Tedeschi und Sue Foley.
Vor allem aber ist die Renaissance des Blues in dieser Dekade eine akustische. In der Rückbesinnung auf das, was das Genre einst wachsen und gedeihen ließ – die Worte, die Stimmen, die Rhythmen -, suchten und fanden Künstler wie Correy Harris, Kelly Joe Phelps, Guy Davis und Eric Bibb in den Fußstapfen ihres gemeinsamen godfather Taj Mahal eine Zukunft – jenseits eitler Selbstdarstellung am Instrument und verzweifelter Crossover-Vfersuche. Dabei stehen vor allem zwei Künstler exemplarisch dafür, wie weit der Blues heute wieder kommen kann. So oder so.
Keb‘ Mo, 47, in Los Angeles geboren und in New Orleans zuhause, avancierte mit seinem zweiten Album „Just Like You“ im vergangenen Jahr gerade jenseits der traditionellen Blues-Gemeinde zu fast everybody’s darlin‘ – von Joe Cocker bis B. B. King (die Songs von ihm coverten), von Peter Maffay (der mit ihm touren wird) bis Celine Dion (die in den USA mit ihm tourte). Alvin Youngblood Hart, 35, in Oakland/Kalifornien geboren, heute in Memphis zuhause, durfte hingegen sein zweites Album für dasselbe Label gar nicht erst machen. Worüber er zurecht etwas verbittert sein darf.
Denn es ist nicht irgendein Label, sondern Okeh – die ’94 von Sony mit viel Bally-Hoo reaktiverte erste Adresse des Blues, die dem Genre in den 20er Jahren u. a. mit Mamie Smhh’s Pioniertat „Crazy Blues“ erst auf die Beine half. Heute, so Hart, sei Okeh „ein Name wie jeder andere“, der „vielleicht nur aus Steuergründen“ wieder ausgegraben wurde, wie er lachend mutmaßt. Denn „Interesse an der Musik selbst gab es dort nicht“.
Zumindest nicht an seiner trotz des Kritikerlobs und der Awards für sein ’96er Debüt „BigMama’s Door“. Okeh ließ den schwer vermarktbaren Mann mit den Dreadlocks, der sich zuvor für seinen Lebensunterhalt als Küstenwächter und Waldarbeiter verdingt hatte, kurzerhand links liegen und investierte die Budgets lieber in Hipster wie G. Love und potentielle Schwiegersöhne wie Keb‘ Mo. „Natürlich“, meint Hart, „bin ich arg enttäuscht. Ich hatte mich ja gerade auf etwas eingelassen, weil ich gesehen hatte, was sie für einen Keb‘ Mo getan haben, der auf gewisse Welse ,kreiert‘ wurde. Ich dachte: ‚Vielleicht werfen sie die Medien-Maschine ja auch für mich an.‘ Zumindest in den USA wurde Keb‘ Mo als Folk-Blues-Musiker vermarktet – was er in Wirklichkeit nie war! Keb‘ Mo ist der erste, der dir das auch sagen wird.“
Er sagt es, wenn auch nicht ganz so unverblümt Keb‘ Mo alias Kevin Moore sagt, sein Haus sei „schon der Blues“, aber er gucke halt „gern mal bei den Nachbarn vorbei. Ich bin kein Buddy Guy, kein purer Blues-Typ.“ Der ehemalige Sideman von Papa John Creach und Ex-Labelkollege von Donna Sommer und George Clinton erkannte vor allem, daß eine Gitarre und eine Stimme allein kaum den Einzug ins kommerzielle Radio schaffen. Fazit: „Du mußt was mit Band dabeihaben. Tracks wie ‚Tell Everbody I Know‘ und ‚She Just Wants To Dance‘ von meinem Debüt hatten keine Chance. Wenn du beim puren Blues bleibst, ist es verdammt schwer. Alvin ist ein brillanter Purist. He’s the real deal.“
Während Alvin Youngblood Hart -Purist und doch radikaler Freigeist für sein zweites Album „Territory“ ein neues Label-Zuhause (Rykodisc) fand, das sich seiner Kunst als würdig erweisen könnte, warten auf Keb‘ Mo vielleicht ganz andere Deals: Seine Songs haben Einzug gehalten in Hollywood (u. a. in „Tin Cup“ und „One Fine Day“). Sollte er etwa gar inpersonam folgen? Schließlich reüssierte Moore als Blues-Darsteller (am Theater als auch im Robert Johnson-Doku-Drama „Can’t You Hear The Wind Howl“), bevor er richtig auf den Geschmack kam und selbst BluesKünstler wurde.
„Ich bin das, was ich eigentlich immer sein wollte: Musiker“, beteuert Keb‘ Mo, dem aufgesetztes Authentizitätsgehabe völlig fremd ist. „Wenn ich die Ambition hätte, ein Schauspieler zu werden, wäre jetzt natürlich die Zeit gekommen (lacht). Aber es gibt genügend Schauspieler da draußen, gute Schauspieler, die verzweifelt nach Jobs suchen. Ich sage: Laßt sie die Jobs auch bekommen! Nur weil ich gerade etwas Erfolg habe – und die Hollywood-Leute mich deshalb hofieren, ist das noch lange kein Grund, mich tatsächlich in diese Richtung zu orientieren.
Außerdem hab ich verdammt viel Respekt vor Schauspielern und ihrem Handwerk.“