Ins Land von Milch und Honig: Ein Solo der Mekons-Musikerin Sally Timms
Größenwahn ist wirklich das Letzte, was man Sally Timms vorwerfen könnte. „Es ist ein kleines, fast privates Album, das keine großen Ambitionen hat“ – „Von der Rock-Musik gehen eigentlich keine Impulse mehr aus, wir recyclen doch nur noch“ – „Die Texte sind nicht autobiographisch, man sollte ihnen keine große Bedeutung beimessen“: Solche Sätze sagt sie über ihr erstes Solo-Album „To The Land Of Milk And Honey“ – und klingt damit soviel anders als viele Kollegen, die mit Alleingängen meistens Eroberungsgelüste verbinden. Sie stapelt natürlich tief. Daß diese Mattigkeit, die ihren Gesang kennzeichnet, einen gewissen Zauber hat, dürfte ihr bekannt sein.
Sonst singt Sally bei den Mekons. Einer Band, die vom legendären Kritiker Greil Marcus immer wieder erwähnt wird, wenn es um die 80er Jahre geht. Die Mekons, so Marcus, hätten damals in Amerika die Stellung gehalten, jenseits der Superstarts wie Ronald Reagan, Madonna oder Michael Jackson. Sie hätten im Exil der kleinen Clubs zusammen mit anderen Bands gegen den großen Konsens angespielt, der sich in Politik, Kultur und Konsum dieses Jahrzehnts anbahnte. „Marcus ist ein netter Mensch, der viel für uns getan hat“, sagt Sally Timms und läßt damit durchblicken, daß sie seine Analyse für ein wenig überspannt hält.
Daß sie trotzdem stimmt, beweist sich jetzt. Die Mekons haben das Exil verinnerlicht, ihre eigene Marginalität ist ein fester Bestandteil der Arbeit geworden. Den Gedanken, jetzt noch einmal den Weg von Soundgarden oder den Lemonheads zu gehen, weist die Sängerin als absurd zurück: „Wir haben kein Glück mit großen Firmen, und wir eignen uns nicht zum großen Verkauf.“ Die Band bleibt das überaus stoische und störrische Kollektiv, das wir kennen. Obwohl jetzt erstmals eine Pause anliegt, weil alle mit anderen Projekten beschäftigt sind. „Aber die Gruppe ist unzerstörbar und wird immer weitermachen“, weiß Sally.
Das Cover des Albums stammt von Mit-Mekon John Langford. Er verdient neben der Musik sein Geld damit, daß er Porträts von Country-Stars malt. Mit Cowboy-Hut hat er nun auch Sally verewigt. Sie hat einen ironischen Zug um die Lippen, was kein Wunder ist Denn die Songs haben mit den üblichen amerikanischen Mythen gar nichts zu tun, sondern sind besessen von Europa. Sally Timms stammt aus Wales, genau wie John Cale, dessen Klassiker „Half Past France“ sie so elegisch interpretiert. Seit drei Jahren lebt sie in New York, „und wenn man soweit weg von zu Hause ist, bekommt man eine Sehnsucht“.
Und nun zu etwas ganz anderem. Sie schwärmt von Tom Jones: „Er hat tolle Balladen gesungen, und er sah klasse aus…“ Selbstredend findet Sally das, was er heute macht, beschissen. Es ist immer schlimm, wenn Leute merken, daß sie von einem Camp-Publikum geschätzt werden und sich dann darauf einstellen. Außer, wenn sie Johnny Cash heißen. Oder Christian Anders.