Diese Filme von Ingmar Bergman muss man gesehen haben

Mit Filmen wie „Das siebente Siegel“, „Persona“ und „Fanny und Alexander“ schrieb Ingmar Bergman Filmgeschichte. Am 14. Juli wäre der schwedische Regisseur 100 Jahre alt geworden. Eine Auswahl seiner denkwürdigsten Filme.

Filme von Ingmar Bergman: Geheimtipps

Zu den wichtigsten Bezugspunkten im Werk von Ingmar Bergman gehört die schwedische Insel Fårö, auf die sich der Regisseur ab dem Jahr 1965 niederließ. Diesem Lebensort, an dem er auch 2007 starb, widmete er zwei seiner wohl interessantesten, einflussreichsten Filme, die beide 1968 entstanden: „Die Stunde des Wolfs“ und „Schande“.

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Ersterer ist ein mit Versatzstücken des Horrorfilms spielendes Psychogramm eines Künstlers, der langsam dem Wahnsinn verfällt. Zurückgezogen auf einer einsamen Insel lebend, sieht er schreckliche Visionen aus seiner Kindheit. Wie so oft legte Bergman seine Quellen offen; in diesem Fall ist es neben den Erzählungen Kafkas vor allem E.T.A. Hoffmann (die Namen Lindhorst, Heerbrand und Kreisler verweisen darauf).

Die Gemälde von Hieronymus Bosch dienten als Vorbild für die Akzentuierung des Wahns in „Die Stunde des Wolfs“
Die Gemälde von Hieronymus Bosch dienten als Vorbild für die Akzentuierung des Wahns in „Die Stunde des Wolfs“

Zweiterer beobachtet das Musikerehepaar Eva und Jan Rosenberg, wie es – ebenfalls zurückgezogen auf einer Insel – mit den Folgen eines über sie hereinbrechenden Krieges klarkommt. Allmählich kommen in der Konfrontation mit einem rüden Oberst die Schattenseiten der Beziehung ans Licht. Ohne klar erkenntlichen politischen Bezug macht Bergman hier ein Kriegsszenario zum Ereignishorizont für die private Krise seiner Figuren.

Krieg und Liebe - bei Bergman oft sehr nah beieinander: Szene aus „Schande“
Krieg und Liebe – bei Bergman oft sehr nah beieinander: Szene aus „Schande“

In vielen seiner Filme geht es Ingmar Bergman ganz konkret um die Situation des Künstlers, um seine Entwicklungsmöglichkeiten im Konfliktfeld mit den Anforderungen eines (bürgerlichen) Lebens. Während dies zuweilen nur metaphorisch verhandelt oder mitgedacht wird (etwa in „Die Stunde des Wolfs“ oder „Persona“) bezieht sich der Regisseur in seinem Frühwerk „Abend der Gaukler“ (1953) explizit auf die Situation der wie Nomaden lebenden, auch spirituell heimatlosen Zirkusartisten.

Eine Sequenz, in der die Gaukler Bühnenrequisiten einer Theaterproduktion ausleihen wollen, aber vom Dramaturgen brüsk abgewiesen werden, zeigt deutlich, welches Mitgefühl Bergman mit all jenen Künstlern hat, die fernab bürgerlicher Kontexte um ihr Überleben kämpfen. „Abend der Gaukler“, vom Regisseur oft als sein persönlich wichtigstes Werk gepriesen, markierte auch die erste Zusammenarbeit mit Kameramann Sven Nykvist, der mit seinem feinen Gespür für Licht und Räumlichkeit die Bildsprache der Filme Bergmans entscheidend prägte.

Sexuelle Spannung zwischen Mann und Frau: Szene aus „Abend der Gaukler“
Sexuelle Spannung zwischen Mann und Frau: Szene aus „Abend der Gaukler“

Obwohl bekannt für seine ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Kompositionen (die natürlich die expressiven Geschichten ideal unterstützten), experimentierte Bergman in den 70er-Jahren auch ganz bewusst mit Farbfilm. Darunter das Mutter-Tochter-Drama „Herbstsonate“ (1978), das für die große Ingrid Bergman zum schmerzhaften Requiem wurde und mit einer erschütternden Klavierszene, in der Chopin eine wichtige Rolle spielt, wohl einen der intensivsten Momente beiläufiger psychischer Persönlichkeitsvernichtung in einem Kinofilm zu bieten hat.

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Wahrlich meisterlich gelang dies allerdings in „Schreie und Flüstern“ (1972), einem der letzten großen Frauen-Filme dieses größten aller Frauen-Regisseure. „Schreie und Flüstern“ ist eine Verbeugung vor Harriet Andersson, die 1953 mit ihrem sinnlichen, lebenshungrigen Auftritt in „Die Zeit mit Monika“ Bergmans Karriere ganz sicher beförderte und hier die an Krebs erkrankte und im Sterben liegende Agnes spielt, welche von ihren distanziert auftretenden Schwestern in den Tod begleitet wird.

Bergman spielte oft mit biblischen Motiven, hier mit dem der Pietà: Szene aus „Schreie und Flüstern“
Bergman spielte oft mit biblischen Motiven, hier mit dem der Pietà: Szene aus „Schreie und Flüstern“

Das zu Unrecht nachrangig behandelte Meisterwerk von Ingmar Bergman besticht durch seine ausgefeilte Farbdramaturgie (Rot als bewusst gewählte Farbe für die Seele, wie Bergman später bemerkte), prachtvolle Kostüme („Schreie und Flüstern“ spielt Ende des 19. Jahrhunderts in einem Gutshaus) und eine geradezu hypnotische Erzählhaltung. Francois Truffaut bemerkte in seiner Kritik für die „Cahier du Cinema“, dass Bergman sich mit diesem Film mit dem großen Publikum versöhne, das er spätestens nach „Das Schweigen“ mit grüblerischen, pessimistischen Geschichten links liegen gelassen hätte.

Der Regisseur selbst war sehr glücklich mit seiner Arbeit, bezeichnete „Schreie und Flüstern“ als „Sonntagskind“ und schrieb in seiner immer noch lesenswerten Autobiographie „Laterna Magica“ (auch: Ingmar Bergmann – Mein Leben): „Einige wenige Male ist es mir gelungen, mich ungehindert zwischen Traum und Wirklichkeit zu bewegen.“ Dazu gehörten für ihn „Schreie und Flüstern“, „Persona“, „Abend der Gaukler“ und „Das Schweigen“.

Ingmar Bergman: Gewinnspiel

ROLLING STONE verlost zum 100. Geburtstag von Ingmar Bergman ein Exemplar von „Das Ingmar Bergman Archiv“ aus dem TASCHEN-Verlag (erhältlich seit Ende April, Wert: 60 Euro). Bergman selbst hatte noch an der Konzeption der preisgekrönten Originalausgabe mitgewirkt. Diese Neuausgabe stellt sein gesamtes filmisches Schaffen mit einer Fülle seltener Dokumente und Materialien dar. Zahlreiche Weggefährten Bergmans, Kritiker, Schauspieler und Filmhistoriker kommen zu Wort und zeichnen den Lebensweg eines kreativen Genies nach, das sich jeder Kategorisierung entzog.

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