In Paris trafen sich die Go-Betweens zu einer einmaligen Reunion

Die Go-Betweens haben sich mit einer Drohung verabschiedet. „I’U Dive For Yout Memory“ sangen sie ’88 im letzten Song des letzten Albums „16 Lorers Lane“. Ein guter letzter Satz fiir jede Band, die sich gerade trennt, oder für jedes Liebespaar, das dies tut – keine Frage. Aber der beste, den sich die Go-Betweens ausdenken konnten? Denn keine andere Band sang soviel von der Erinnerung. Sagte ich „keine“? Da hätte mir mein Gedächtnis beinahe einen Streich gespielt. Gehen wir noch einmal in die Achtziger zurück, in meine Achtziger wohlgemerkt. Alle sagen, diese Jahre seien eine kalte Zeit gewesen, in der jeder nur ans Geldverdienen gedacht hätte, an die Karriere und natürlich an teure Anzüge. Vielleicht war ich in den Achtzigern zu jung, um das alles mitzukriegen, immerhin mußte mein Bruder mir noch 1982 auf dem Jungfernstieg erklären, daß der arrogante Pinkel da drüben ein Yuppie sei. Aber wenn ich mich heute umgucke, habe ich das Gefühl, daß es da auch nicht wenig ums Geldverdienen, um Karriere und teure Anzüge geht Was ich sagen will: Ich erinnere die Achtziger als eine Zeit mit sehr warmer Popmusik. Und kluger noch dazu. Jede Generation hat ihre Bands, und wer in den Achtzigern Popmusik geliebt hat, der besaß alle Platten von den Go-Betweens und Prefab Sprout. So unterschiedlich sie waren, sangen doch beide Bands über das Erinnern wie niemand davor oder danach. Mit Sehnsucht nach vergangenen Zeiten hatte das nichts zu tun. Eher mit dem Wissen, daß nur schreiben kann, wer sich erinnert. Ob er sich richtig oder falsch erinnert, spielt keine Rolle. Denn die Go-Betweens und Prefab Sprout wußten, daß jeder Song eine Lüge sein kann. Auch davon sangen sie. „Popmusik ist die einzige Kunstform ohne Gedächtnis“, sagt Robert Forster, der noch immer diesen staunenden Blick besitzt, mit dem er bei dem ersten Konzert, das ich von den Go-Betweens gesehen habe, ins Publikum geschaut hat. „In der Popmusik heißt es immer: Here! Now! Und manchmal Future! Doch alle anderen Erzählformen – das Kino oder die Literatur – handeln vom Erinnern. Erinnert sich doch mal jemand in Pop-Songs, klingt es meist wie in Kummer Of’69‘ von Bryan Adams.“ Kompagnon Grant McLennan, der wie früher mild lächelnd den Kopf zur Seite legt, knüpft an: „Da waren wir im Summer of Love und liefen in San Francisco dem Sonnenuntergang entgegen!“ McLennan und Forster, die einstigen Köpfe der Go-Betweens, sitzen im Speisesaal eines Pariser Hotels. Auch, um über die CD-Sammlung ihrer alten Alben zu sprechen, die gerade auf Beggar’s Banquet erschienen ist. Aber auf Geschichten, die mit „Weißt du noch…“ anfangen, haben die beiden keine Lust. Kein Nostalgie-Rhabarber! Wie wohl auch die Devise lautete, die vor ihrem Reunion-Konzert am Abend zuvor ausgegeben worden war. Während sie freundlich zwischen ganz frühen Hits vom Schlage JPeople Say“ und jüngeren wie „Love Goes On!“ bimmelten, hielten Robert und Grant Distanz. Ein unaufgeregter Streifzug durch ihre Greatest Hits war das, bei der man skurrile Evergreens wie „The House Jack Kerouac Built“ genauso vermißte wie Lindy Morrison, Amanda Brown oder Robert Vickers, die anderen ins Herz geschweißten Go-Betweens. Immerhin hatten Robert, Grant und die zwei Begleitmusiker mit „Cattle And Cane“ auch den wichtigsten Song der Go-Betweens auf der Setlist – ein Quasi-Duett, bei dem sich die Erzähler gegenseitig das Gedächtnis auffrischen. Das Wort Reunion riecht im Moment nicht gut, deshalb lassen die beiden Australier keinen Zweifel an der Einmaligkeit des Unterfangen. Robert Forster, der mit seiner deutschen Frau gerade wieder nach Regensburg gezogen ist, bringt dieser Tage das leicht swingende, schwer grübelnde Album „Warm Nights“ heraus. McLennan ist wieder unter dem Namenjack Frost ins Studio gegangen und hat ein überraschend starkes Album aufgenommen, das wie Byrds auf Industrial klingt. Wie kam es bei soviel Aktivität zur Wiedervereinigung? „Nun ja“, setzt McLennan lässig an, „das Magazin ,Inrockuptibles‘ hat, löLovers Laue‘ zu einer der besten Platten erer gewählt. Sie haben uns eingeladen, und wir dachten, es wäre eine nette Sache, so das Erscheinen unserer remasterten Alben zu begehen. Und, hey, wir sind in Paris!“ Dazwischen war alles möglich. Neue Mitglieder wurden aufgenommen, Plattenfirmen und Wohnorte gewechselt. Die Go-Betweens bewiesen Stabilität, weil sie sich in zehn Jahren stetig veränderten und doch zeitlose Trademarks kultivierten. Ihr erstes Album, „SendMe A Lullaby“, mögen sie nicht. Dabei nahmen Grant, Robert und Drummerin Lindy mit den brutal aufgerissenen Popsongs 1981 vorweg, was an Dekonstruktionen heute im amerikanischen Post-Rock betrieben wird. Ihre erste Blüte erlebten die Go-Betweens mit „Before Hollywood“. Alle Instrumente arbeiten hier gegeneinander, um in knappen Harmonien zu enden, und Grant spielt die Melodien auf dem Baß. Free-Pop. „Spritig HillFair“, 1984 erschienen, hat einige schöne Songs, die jedoch in der pompösen Produktion untergehen. , Jbnmerhin“, freut sich Robert, „trieben wir durch die Kosten Sire in den Ruin, hähä!“ 1986 erschien „Liberty Belle And The Black Diamond Express“ mit monochromer Klangfarbe. Und dann „Tallukh“] Forster und McLennan treten hier als perfekte Ergänzung in Erscheinung, der eine liefert Breitwand-Narrationen, gewunden und pastoral, der andere schnörkellose Pop-Klopfer. „16 Lorers Lane“ konnte danach nicht verzaubern, zumindest damals. Rückblickend allerdings wirken die semi-akustischen Songs über Liebe, Trauer und Trost sehr weise. Zu einer Zeit, in der sich alles in Auflösung befand, klangen die Go-Betweens so sanft wie nie zuvor. Auch das war eine Qualität dieser Gedächtnis-Menschen: Bei allem Realismus hatten sie immer noch einen Romantizismus in der Tasche. J3

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