In den USA hat der Australier RICHARD DAVIES nun auch seine musikalische Heimat gefunden
Als die Plattenfirma ein Cover für „Telegraph“ anmahnte, stellte er sich einfach vor einen Schuppen in der Nähe seines Hauses. Wie der Plattentitel lauten solle? Bedeutungslos. Ginge es nach Richard Davies, könnten sie sein Werk „auch gerne in braune Plastiktüten packen. Ich mache die Musik, alles weitere kann doch sowieso keiner kontrollieren. It’s how it sounds that counts!“
Mit dieser Maxime und der ebenso kategorischen Vorgabe, daß „Imagination immer vor Technik“ kommen sollte, ist der schlurfige Mitt-Dreißiger bisher nicht schlecht gefahren. Dabei steht der Australier im Exil beispielhaft dafür, daß sich Pop-Geschichte vielleicht doch wiederholt: Wie Landsmann Chris Bailey mit seinen Saints 13 Jahre zuvor, zog es ihn mit The Moles zunächst auf die britische Insel, wo „Single of the week“-Ehren eine kleine Karriere versprachen. Die dann doch nicht kam.
Nächster Stop: Boston/USA. „Merkwürdig“ sei das zunächst gewesen; fünf Jahre und einen Umzug in die ländliche Idylle von up-state New York später – nennt er die Staaten „mein Zuhause“. „Bisher hatte ich nur in Städten gelebt. Der Wechsel aufs Land hat definitiv einen Einfluß auf ‚Telegraph‘ gehabt. Ich hab mir mehr Zeit genommen, es klingt nicht mehr so chaotisch.“ Vor allem aber sei es das „Album eines Emigranten“ geworden, eines Mannes, der „zunächst gar nicht richtig auswandern“ wollte. Und es dann doch tat. „Wenn die Platte ein übergreifendes Thema hat, dann dies.“
„Telegraph“ markiert aber auch den vorläufigen Endpunkt aller Experimente, die bisher zwischen ausgefeiltem Barock-Pop (mit Eric Matthews als Kardinal) und fast improvisiertem Noise-Punk auf „Instinct“ pendelten. „Es war das Chaos der Stadt New York, das mich damals faszinierte“, erklärt er mit breitem Akzent. „‚Instinct‘ sollte das Gefühl dieses Chaos einfangen; es war mir ziemlich egal, was am Ende dabei stilistisch rauskam.“
Ohne „Instinct“ aber, so Davies, hätte er „Telegraph“ nie gemacht. „Ich wollte ein Bootleg, so wie dieses Beatles-Bootleg damals: vertraute Songs, die – schlecht aufgenommen – plötzlich ein bißchen fremd klingen. Das blieb immer hängen.“ Das und natürlich die frühen Helden: Ed Kuepper, Go-Betweens, „Flying Nun“-Bands wie etwa The Chills. „Als ich die zum ersten Mal spielen sah, dämmerte mir, daß ich das auch selbst versuchen könnte. Allein schon deshalb, weil es zwar nicht Australier, aber immerhin doch Neuseeländer waren.“ (lacht)
Seit drei Jahren kann Davies nun von semer Musik leben. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung mache es wenig Sinn, als Künstler am Hungertuch zu nagen. Eine Weile sei das ja noch okay. „Aber zu wissen, daß du mit Musik dein Leben bestreiten kannst, ist durchaus auch eine Motivation.“
„Telegraph“ erfüllt für Davies nicht zuletzt das Ideal eines „alterslosen“ Albums. „Es ist der Test für meine Songs: Ich stelle mir vor, wie es wäre, das mit 64 Jahren noch zu singen. Und wenn ich mich dabei wohl in meiner Haut fühle, funktioniert der Song. Es gibt auf, Telegraph‘ nichts, was ich nicht später meinen Enkeln vorsingen könnte. Wenn sie sagen: ‚Hey Opa, was für Songs hast Du geschrieben?‘ Und ich sage: ,Wie wär’s denn mit diesem hier.‘ Und dann setze ich mich ans Klavier und spiele ihnen ‚Crystal Clear‘ vor.“ Wie damals das Cover aussah, ist dann eh längst vergessen.