Immer unterwegs: Der Schweizer Gitarrist und Chansonnier Stephan Eicher hat erstmals ein Live-Album vorgelegt
Irgendwann während seiner letzten Tournee hielt Stephan Eicher um drei Uhr morgens den eigenen Bus an und stieg aus. Er kam zu Fuß im Hotel an, hatte auf dem Weg eine Bar gefunden, schlechten Champagner getrunken und eine Frau getroffen, die seine Musik nicht mochte. Das ist ungewöhnlich, weil es in Frankreich war, und dort, glaubt man, gibt es solche Frauen nicht. In Frankreich ist Stephan Eicher so berühmt, daß kleine Mädchen mit roten Köpfen sich zwei Stunden früher vor der Bühne drängeln, um später einen Schweißtropfen zu spüren. In Deutschland rührt er seit einigen Jahren meinen gesamten weiblichen Freundeskreis zu Tränen und noch einige mehr (Jungs auch). „Ein winzig kleines, feines Publikum“, wie er selber weiß.
Für die, die es verdient haben, erscheint deshalb auch hier ein schönes Sammlerstück: „Non Ci Badar, Guarda E Passa…“ ein Live-Album des Schweizers. Ein Reisebericht von einem, der zwischen allen Welten zu Hause ist. Stephan Eicher singt in vier Sprachen, lustwandelt zwischen den Stilen, spielt mit Folk, Rock, Folklore und mit ständig wechselnder Besetzung.
1994 war der Keyboarder ein Deutscher, den er aus einer Tingeltangel-Band befreit hatte, der Drummer ein Schwarzer aus New York, ein Gitarrist war ein Slide-Künstler aus New Orleans, Orleans, ein anderer vergaß mit ihm seine Vergangenheit in der Speed-Metal-Band Coroner, der Bassist war Franzose, sein klassisch ausgebildeter Landsmann spielte mittelalterliche Instrumente dazu.
Außerdem im Troß durch Frankreich, die Schweiz, Belgien, Kanada, die Karibik und Südamerika: der Manager, manchmal Frauen und andere Menschen, die Freude bereiten. „Ich suche immer Menschen und Musiker, bei denen es auch nach neun Monaten Tour noch möglich ist, daß etwas Unvorhersehbares passiert Ich gebrauche diese Spannungen fast ein bißchen teuflisch.“
Der Teufel hat den Schnaps gemacht, Manager Martin Hess jedenfalls meint grinsend, daß es „die schlechteste Idee meines Lebens war, diesen Barmann mit auf Tour zu nehmen“. Der Barmann war Inder, ein enger Vertrauter des Musikers und seines Umfelds schon seit dem letzten Album „Carcassone“, wo er in einem provisorisch zum Studio umfunktionierten mittelalterlichen Hotel während der Aufnahmen vorzugsweise Martinis rührte. Eicher ist überzeugt anderer Meinung: „Die Bar war wichtiger als alles sonst – es gab bei uns einen Musiker, der spielte kein Instrument, der mixte Cocktails, das ist höchstens für die Leber schlecht.“
Der Mann hinterm Tresen hat jetzt wieder anderswo Saison, und manchmal hat Stephan Eicher ein schlechtes Gewissen gegenüber Leuten wie ihm, „die wir aus ihrem Alltag holen, die neun Monate intensiv mit uns leben und dann wieder zurückmüssen. Das kann gefährlich sein, denn dieses Tourleben ist ein sehr treuloses.“
Der Musiker selbst kennt und will es nicht anders. Als er im Dezember letzten Jahres von der Reise zurückkehrte, lebte er weiter in Hotels, zog auch ohne Band von Stadt zu Stadt. Bis ihm Freunde einen Wohnungsschlüssel in die Hand drückten. „Ich war zu lange unterwegs, um mich noch steuern zu können. Das mußten die für mich erledigen.“ Jetzt hat er ein Bett, einen Tisch und eine Lampe. Und fangt bald wieder mit seinem normalen Leben an. In diesem Jahr reist er mit seinem Keyboarder (dem Deutschen Achim Meier) und einem Techniker nach Schwarzafrika, Südamerika, China und Vietnam, um dort kleine Konzerte zu spielen.
Sonst hat er ja nichts gelernt. „Ich habe mit achtzehn angefangen, Musik zu machen. Ich habe keine andere Lebenserfahrung. Gib mir eine Gitarre – und ich bin wie ein glückliches autistisches Kind. Sprich mit mir – und ich bin ein unglückliches autistisches Kind. Sprachliche Kommunikation interessiert mich nicht.“