Immer unterwegs
Es liegt etwas Ruheloses in der Musik von Tina Dico. In einem Song des internationalen Debüts, „In The Red“ von 2006, saß die dänische Sängerin/Songschreiberin in ihrem frisch bezogenen Londoner Apartment und starte einsam in die Nacht – gerade war sie der Karriere wegen hierher gezogen, jetzt kam die Angst vor der eigenen Courage. Ein Album später wurde die Pariser Sacre Coeur zum Symbol für das eigene Herz, das sich zwischen all den Möglichkeiten nicht entscheiden kann. Auf dem neuen Werk, „A Beginning, A Detour, An Open Ending“, schickt sie einen Gruß an den Ex-Geliebten, der zu Hause in Dänemark blieb und der an Fernweh leidenden Freundin nur noch nachwinken konnte. Lieber eine Suchende bleiben – oder irgendwo für immer zu Hause sein? Das ist ein Grundthema für Tina Dico. „Ich habe lange darauf gewartet, irgendwo anzukommen“, erklärt sie, „meine Eltern haben mir das immer vorgelebt: ein schönes Zuhause, eine gut funktionierende Ehe, verlässliche Routinen. Es war frustrierend zu erkennen, dass es für mich so nicht läuft. Ich werde dieses eine definitive Ziel nicht erreichen, sondern weiter unterwegs sein. Aber ich liebe es auch – es ist aufregend, ich lebe sehr intensiv.“ Was macht man mit der Erkenntnis, dass nichts fertig wird? Dico sagt, man lerne, „sich in den Moment zu lehnen“, Orte und Menschen trotz der flüchtigen Begegnung „unter die Haut zu lassen“ und „Platz zu machen“ für direkte Erfahrungen. Auch auf „A Beginning…“ zählt der Moment. Tina Dico veröffentlicht drei bislang nur auf Tournee erhältliche EPs, einzeln verpackt und in einen Pappschuber gesteckt. Auf den EPs sind drei recht schnell aufgenommene Sessions aus 2007 und 2008. Sie zeigen eine Künstlerin, die sich zunächst als Songwriter versteht – die meisten Arrangements sind betont zurückhaltend, nichts ist großartig drapiert oder herausgeputzt. Das ist ein interessantes Statement für Tina Dico, bei der man immer beides wahrnahm: künstlerische Integrität und Radiotauglichkeit. Daheim in Dänemark besetzen Dicos Platten regelmäßig die ersten Chartplätze, gerade wurde ihr vom Kronprinzen-Paar der wichtigste Kulturpreis des Landes verliehen. „Ich werde in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich wahrgenommen“, erklärt Dico, „in Dänemark bin ich der Popstar, im UK und den USA nur ein Mädchen mit einer Gitarre. In Deutschland war es bisher immer in der Mitte zwischen Mainstream und Kredibilität.“
Das neue Album klärt diese Unsicherheit, weil man diese Lieder nicht an die große Glocke hängen kann. Auch dass die bisher beteiligte Major-Firma nicht mehr dabei ist, könnte sich schnell als positive Wendung herausstellen. Schließlich gehörte es von Anfang zu Tina Dico, dass sie am besten ihre eigene Herrin ist – ihre Alben erscheinen auf einem eigenen Label, die internationalen Veröffentlichungen sind über Lizensierungen geregelt. Dico ist zielstrebig in dem, was sie tut, hat früher selbst mit dänischen Kaufhausketten über Veröffentlichungsrechte verhandelt. Sie tut das nicht etwa, weil sie im Herzen eine besonders toughe Geschäftsfrau wäre, sondern weil die Alternative — anderen Menschen zu viel Einspruchsrecht in ihre Musik zu geben – inakzeptabel ist. „Für mich sind diese Lieder genau das, was ich im Moment sagen will. Sie sind ganz nah an mir dran. Ich habe viel Kraft investiert, um mein Handwerk als Songwriter zu lernen und meine Intuition in Musikumsetzen zu können. Genau das höre ich auf diesem Album, und das ist für mich das Wichtigste.“