Immer noch keine Männer
Nach langer Pause hat die genialische Avant-Band Devo tatsächlich ein neues Album aufgenommen. Mark Mothersbaugh über alternative Rezepte in Zeiten der Krise.
Die Kostüme wurden im Lauf der Jahrzehnte etwas überarbeitet, sind aber immer noch so bizarr wie früher. Das Gleiche gilt für den Humor. Mit einem verblüffend guten Album haben sich Devo nun zurückgemeldet: „Something For Everybody“ erinnert an das Frühwerk der Elektro-Popper aus Akron, Ohio, und zeigt dabei eine druckvolle Leichtigkeit und Intelligenz. Mark Mothersbaugh, nach wie vor der Kopf der Band, hat ein paar Kilo zugenommen, und die Brillengläser scheinen ebenfalls dicker. Aber sein Interesse an nerdigen Konzepten hat kein bisschen nachgelassen.
Mark Mothersbaugh, warum haben Devo nach einer gefühlten Ewigkeit von 20 Jahren noch einmal ein neues Album veröffentlicht?
Wir hatten lange Zeit das Gefühl, alles schon einmal gemacht zu haben. Aber seit einiger Zeit implodieren die traditionellen Plattenfirmen und suchen nach neuen Wegen. Das ist eine Atmosphäre, die wir uns schon früher gewünscht hätten.
Devo waren nie ganz verschwunden, es gab immer wieder Konzerte, Nebenprojekte und sogar einzelne Neuaufnahmen.
Wir sind in der Band zwei Brüderpaare plus Josh Freese am Schlagzeug schon deshalb verlieren wir uns nicht so leicht aus den Augen. Die beiden Bobs Bob Mothersbaugh und Bob Casale arbeiten dazu noch seit 20 Jahren für meine Firma.
Und was ist das Geschäftsmodell dieser Firma?
Soundtracks für Film- und TV-Produktionen, aber auch Musik für Computerspiele und Werbespots. Das alles begann 1986 mit Musik für die ziemlich schräge Show „Pee Wee’s Playhouse“. Insgesamt habe ich für 67 TV-Serien und 40 Kinofilme die Musik geschrieben.
Beeindruckend. Dann sind Soundtracks also ihr Geschäft und Devo nur ein altes Hobby?
Ja, Soundtracks sind mein Day-Job. Devo ist allerdings weit mehr als ein Hobby. Das geht zurück in die Zeit, als wir alle noch Kids waren. Damals verließen wir das Dorf, in dem wir lebten, erlegten unseren ersten Löwen und schleiften ihn stolz nach Hause: Devo war mein erstes künstlerisches Statement. Und alles, was ich seitdem getan habe, egal wie es klingt, führt zurück zu Devo.
Dann waren es wohl überwiegend sentimentale Gründe, die zu „Something For Everybody“ geführt haben?
Nein! Vor drei Jahren interessierte sich die Computer-Firma Dell für einen Song von Devo, um ihn für einen TV-Spot zu lizenzieren. Wir fragten: Darf es denn auch etwas Neues sein? Man war erstaunt, zeigte aber großes Interesse. So entstand „Watch Us Work It“. Wir mochten den Song, so kamen wir auf die Idee mit dem Album.
Sie arbeiten offenbar immer noch mit dieser surrealen Comic-Attitüde?
Ja, das Konzept von Devo ist über die Jahre intakt geblieben: Wir reden nach wie vor von den gleichen Themen, und selbst ein Liebeslied klingt bei uns anders als bei Elvis Costello oder den Beatles. Das hat mit unserer Sicht der Welt zu tun.
Sie sprechen von Ihrer Theorie der De-Evolution. Können Sie das in zwei Sätzen definieren?
Statt einer Weiterentwicklung der Menschheit gibt es eine Rückentwicklung. Wir schreiben das dem Mangel an Bewusstsein auf diesem Planeten zu.
Das klingt engagiert, fast politisch. Aber auf der Bühne tragen Sie immer noch diese lustigen Space-Age-Uniformen mit den albernen „Energy Dome“-Hüten. Ist ihr Gerede von der De-Evolution nur ein Witz?
Wir nehmen unseren Humor sehr ernst. Aber ich bin auch ein Künstler, der das Leben beobachtet und kommentiert. Im Idealfall funktionieren unsere Songs auf mehreren Levels.
Wie Lady Gaga bei ihrer Monster-Ball-Tour haben nun auch Devo eng mit der Werbeagentur Mother zusammengearbeitet. Was versprechen Sie sich davon?
Die Plattenfirmen waren im letzten Jahrzehnt nicht gerade erfolgreich im Verkaufen von Musik … Aber es geht eher darum, dass Rebellion und Anarchie längst obsolet geworden sind. Aus den Hippies der Sechziger wurden die hippen Kapitalisten der Siebziger, vom Anarchie-Geschrei der Punks blieb die Mode von Vivienne Westwood. Wenn sich etwas geändert hat, dann nur durch Subversion und das hatten die Typen aus der Madison Avenue schon immer am besten drauf. Die Werbebranche verwendet Techniken, die Menschen dazu bringen, jeden Mist zu kaufen. Warum soll man diese Techniken nicht benutzen, um den Leuten etwas Gutes zu geben?
Das klingt, als hätte die Musik nur eine Nebenrolle gespielt.
Auf keinen Fall – Devo haben nie aufgehört, miteinander zu jammen! Anfangs wollten wir dem Album eine romantische Note geben. Wir besitzen immer noch die Gitarren und Synthesizer, mit denen wir unser Debütalbum eingespielt haben. Eine Woche lang versuchten wir die neuen Songs auf die gleiche Art aufzunehmen wie „Q: Are We Not Men? A: We Are Devo!“ doch dann waren wir gelangweilt.
Warum? Die vielen alten Fans hätten sich gefreut …
Nein, Devo waren nicht so statisch. Es gibt auf unseren Alben einen stetigen Fortschritt, wir waren immer interessiert an neuer Elektronik und neuen Technologien. Deshalb haben wir mit neuer Software wie Pro Tools und Logic gearbeitet und trotzdem auch die alten Instrumente eingesetzt.
Interview: Jürgen Ziemer