Immer eine schwere Geburt
Auf der Bühne fühlt er sich zu Hause - und wenn die Arbeit im Studio zu zäh wird, verliert er auch gern mal die Geduld. Willy über sein jüngstes Album.
Unmittelbar vor seiner anstehenden Tournee erscheint Willys neues Album „Pistola“, und bei unserem letzten Gespräch nahmen wir einige der Songs genauer unter die Lupe. Er spricht bemerkenswert offen über den kreativen Prozess, hier also ein interessanter kleiner Trip durchs künstlerische Innenleben – und Gedankenstoff beim Hören des Albums. Allerdings sprachen wir nicht über alle „Pistola“-Songs, denn sonst, lachte Willy, „säßen wir den ganzen Tag hier“.
„So Sir Real“: Ich wollte einfach einen klassischen Rock’n’Roll-Song schreiben, mit einem scharfen Gitarrenriff und einem – hoffentlich – substanziellen Text. Die Welt kann einem heute ja richtig Angst machen, zumindest kann ich mich nicht erinnern, dass es vor zehn Jahren auch schon so deprimierend gewesen wäre. Dieses Gefühl ist Teil des Songs. Es fällt einem immer schwerer zu glauben, dass diese Sachen wirklich alle passieren.
In „Been There Done That“ geht’s um das, was der Titel schon sagt. Ich unterhielt mich mit Monk Bondreau, und als er von irgend etwas sprach, sagte ich: „Warum zum Teufel sollte ich das machen. Mann, das hab ich doch alles erlebt – been there, done that.“ Und zwar gründlich. Daraus entwickelte sich automatisch der Rhythmus. Mehr New Orleans als Reggae, vor allem die Bläser.
Der vierte Song, „Louise“, ist der einzige auf dem Album, den ich nicht geschrieben habe. Er ist von Paul Seibel. Er hat zwei Alben veröffentlicht, die man bestimmt noch irgendwo bekommt. Eines hieß „Jack-Knife Gypsy“, das andere „Woodsmoke & Oranges“. Ich wusste nicht mal, ob er noch lebte, aber Nina suchte im Computer nach ihm und fand ihn auch. Also rief ich ihn an und sagte: „Hey, ich hab einen deiner Songs aufgenommen.“ Er wollte wissen, welchen, und ob ich den Text da hätte und ob er ihn hören könne. Ich spielte ihm den Song vor – am Telefon, wohlgemerkt: Ich sagte ihm gleich, er solle besser nicht zu viel erwarten, aber ihm gefiel sehr gut, was ich daraus gemacht hatte. Ich fragte ihn, ob er nicht vorbeikommen und spielen wolle, aber er sagte, er könne nicht mehr, das Business hätte ihm das Herz rausgerissen. Eine Schande – ich finde ihn als Texter so gut wie Dylan, wenn nicht besser.
„The Band Played On“ handelt offensichtlich von New Orleans. Was die Bläser da am Anfang spielen, ist ein Begräbnismarsch. Es war schrecklich, die Verwüstungen durch den Hurrikan zu sehen. Mann, was für ein Schlag. Ich hab 30 Jahre da gelebt, und es war furchtbar, die Straßen, auf denen ich so oft unterwegs war, unter Wasser zu sehen. Von daher – ja, der Song war mein Tribut an New Orleans.
„Stars That Speak“ habe ich schon 1980 geschrieben – ich war in Paris und wollte mal mit einer Rezitation experimentieren, also gesprochenem Wort über Musik. Und da fiel mir eben das mit dem Künstler ein, der auf sein Werk zurückblickt und sich fragt, wo die ganze Zeit so schnell hin ist.
Das ist natürlich auch so ein irre romantisches Ding: in Paris sein und Lyrik schreiben. Aber diese Stadt hat wirklich etwas Inspirierendes, und das wollte ich auch nutzen.
Phil (Shenale, Willys Produzent) fragte mich diesmal, was ich denn sonst noch für Songs rumliegen hätte, und dieser und ein paar andere waren eben da. Er wollte „Stars That Speak“ schon länger auf einem Album unterbringen.
aber ich bremste ihn immer. Diesmal sagte er: „Willy, deine Stimme klingt jetzt genau richtig dafür lass uns den Song verwenden.“ Und weil mir eben diese romantische Situation gefiel und ich, wie gesagt, bewundere, was Leonard Cohen oder Jacques Brei mit Text und Sound anstellen, wollte ich’s mal versuchen.
„Mountains Of Manhattan“
ist der letzte Song auf dem Album. Die Flöte, die man am Anfang hört, spiele ich. Es ist eine indianische Zedernholzflöte. Der Song ist nochmal einmal ein Rezitativ, und inhaltlich geht es darum, am Ende des Tages zu akzeptieren, wer man ist.
Als ich ein Kind war, gehörten wir zur unteren Mittelschicht, und wir wurden konsequent dazu erzogen, das zu verbergen und auch nicht über unsere Herkunft zu sprechen. Ich erfuhr erst kürzlich von dem Irokesenblut in unserer Familie – auch das steckt in dem Song. Und ich liebe nun mal die Kraft und das Mysteriöse am gesprochenen Wort.