Immer die Schau
Mit Hilfe von Mousse T. und einer Prominenten-Garde wurde BOOTSY COLLINS aus dem Frühruhestand geholt
Bootsy Collins in der Öffentlichkeit, das ist immer eine Show. Sternsonnenbrillen, exorbitante Hüte, Glitzeranzug, it’s P-Funk, baby. Der Funk-Veteran aus Cincinnati/Ohio hat zwischen Musik und Leben nie einen großen Unterschied gemacht, sondern als Gesamtkunstwerk zelebriert, was das eigene Selbstverständnis prägt – da mag man die Schule des James Brown erkennen, der Bootsy einst auf die Bühnen der Welt mitnahm.
Zum Interview erscheint der immerhin Fünfzigjährige in der besagten Garderobe: An den Füßen Plateauschuhe, auf dem Kopf einen Hut wie eine zum Turban gefaltete Serviette, dazu die obligate Sternsonnenbrille, man ist ein bisschen irritiert. Auf dem riesigen T-Shirt winden sich ein blauer und ein roter Drache in schrecklicher Agonie das bunte Leben des Bootsy Collins, so scheint’s, findet hier seinen adäquaten modischen Ausdruck.
Collins selbst lächelt die ganze Zeit und ist ein beinahe unfassbar freundlicher Mann, dessen leise Stimme so recht nicht zum Outfit passen will, aber das mag eine zu begrenzte Sicht sein. Ist das Fernsehen in der Nähe, schaltet Bootsy mühelos auf schrille Promotion-Gebärden um.
Zu besprechen gibt es eine neue Platte namens „Allstar Funk“, die erste seit einer Reihe von Jahren. Das dazugehörige, leider auch vollkommen durchsichtige Konzept ist dazu angetan, eine Menge Aufmerksamkeit zu erregen: Unter der Oberaufsicht von Hannovers Superproduzent und Collins-Kumpel Mousse T. folgte eine ganze Armada von Stars dem Aufruf an die Seite Collins‘, darunter Verbrüderte wie Fatboy Slim, George Clinton und Bobby Womack, aber auch eher entfernte Verwandte wie Macy Gray, Snoop Dog, Public Enemy oder die Berliner Dub-Könner von Seeed. Nur Mousses omnipotenter Schützling Tom Jones fehlt bei der Chose.
Zusammen soll die Essenz des P-Funk mit ganz gegenwärtigem Hip-Hop, R&B und New Soul vermählt werden – Collins, so geht wohl die Idee, ist ein großer Alter, den man auf dem Umweg aktueller Sympathieträger dem nachgeborenen Publikum nahebringen tnuss, so ähnlich wie, sagen wir, Carlos Santana vor ein paar Jahren. „Ganz ehrlich: Ich wollte diese Platte eigentlich nicht machen“, erklärt Collins, „die Vorstellung, für eine große Plattenfirma zu arbeiten und unter dem entsprechenden Druck zu stehen – oh Mann, daran hatte ich kein Interesse.“
Doch Bootsy ist nun zu sehr Bootsy, um sich eine solche Chance entgehen zu lassen. „Klar kann ich immer wieder das alte Baby kreieren, das ist einfach. Aber ich wollte ein neues Baby! Ich muss Unbekanntes versuchen und mich auf andere Leute einlassen, was auch immer dabei rauskommt. Alles andere ist bloß selbstgefällig, und das war nie die Philosophie des P-Funk.“ Eben die den Unwissenden nahezubringen, ist dabei ein offenbar ernstes Anliegen des Groove-Meisters. „That funkadelic element is in all of us“, weiß Bootsy und klingt jetzt wie Erleuchteter, „und viele meiner Partner bei diesem Album waren schon initiiert. Mein Job war nur, sie tiefer hinein zu fuhren, und dabei habe ich selbst ganz Neues entdeckt It’s communication, man.“ Das musste er Smudo nicht zweimal sagen.