Immer die Chefin im Ring
Auf ein Konzeptalbum folgt kein Konzeptalbum, das ist meistens so. So ein zusammenhängendes Kunstwerk braucht viel Konzentration aufs große Ganze — eine Tugend also, die in der Popmusik nicht unbedingt zu den wichtigsten gehört. Auch Aimee Mann wollte nach „The Forgotten Arm“, der Geschichte eines drogenabhängigen Vietnam-Veteranen, nicht noch mal weit ausholen. „Eine Liedersammlung“ nennt sie ihr neues Album, „@#x%x*! Smilers“, nicht mehr und nicht weniger. „Von meinen Platten ist mir ,I’m With Stupid‘ die liebste“, sagt Mann, „ich mag diese Vielfalt — wir haben jeden Song so produziert, wie er es brauchte. Das wollte ich jetzt wieder so machen.“
Dass sie „I’m „With Stupid“ von 1995 zur Lieblingsplatte erklärt, verwundert. Schließlich gilt gemeinhin „Bachelor No. 2“ (2000) als ihr Meisterwerk, weil Mann zusammen mit Jon Brion damals den Sound entwarf, der ihre Platten noch heute prägt. Außerdem markiert das Album die Emanzipation von den verhassten Major-Labels. Und Emanzipation ist in dieser Karriere ja ein wichtiger Begriff, obschon Mann im Gespräch nicht wie die Amazone wirkt, die man sich vielleicht vorstellt. Da ist wohl inhaltliche Klarheit, aber auch Bescheidenheit und Freundlichkeit. Aimee Mann lacht viel, wenn sie von Freunden wie Jon Brion oder Joe Henry spricht — ein freundliches Lachen, das tiefe Sympathien verrät.
„Ich mag ,Bachelor‘ sehr gern, so wie ich mit all meinen Platten eigentlich zufrieden bin“, sagt Mann, „trotzdem sind da ein paar gemischte Gefühle — ich habe extrem lange an der Platte gearbeitet. Ich finde, das hört man einigen Songs an.“ Jedenfalls sei es bei „Smilers“ wesentlich organischer und ungezwungener zugegangen. Produzent und Bassist Paul Bryan nahm alles mehr oder minder live auf. Mehr noch als früher steht Mann im Mittelpunkt ihrer Lieder, die deshalb unmittelbarer und sinnlicher wirken.
Ebenfalls im Mittelpunkt dieser Lieder stehen deren Protagonisten. Kalifornische Verlierertypen, die zum Teil fiktiv sind, zum Teil aber aus Manns privatem Umfeld stammen. Ein komischer Kerl aus ihrem Box-Studio in Pasadena, ein drogenabhängiger Geschäftsmann und ein paar ziellose Musikerkollegen— Mann beobachtet die Menschen um sich herum und destilliert kleine Szenen. Auch die Themen des letzten Albums, Abhängigkeit und Trauma, tauchen wieder auf, doch eher aus analytischer Perspektive. Mann nimmt für sich in Anspruch, eher Beobachterin zu sein, zumal sie in der Musikerszene von L.A. ja jede Menge Anschauungsmaterial habe.
Auch die Auseinandersetzung mit dem Tod ihres Schwagers Chris Penn spielt eine Rolle. „Sicher stecke ich selbst auch in diesen Texten“, räumt Mann ein, „wenn ich mit meinem Mann streite, werde ich daraus aber nicht direkt einen Song machen. Doch vielleicht will ich über das Gefühl schreiben, missverstanden zu werden. Also suche ich einen Charakter, dem es ebenso ergeht.“
Apropos Ehemann: Michael Penn ist ein ebenso famoser Songschreiber wie Aimee Mann. Nur liegt sein letztes Album, „Mr Hollywood, Jr.“, fast vier Jahre zurück. „Sind da nicht unglaubliche Lieder drauf?‘, sagt Mann enthusiastisch. „Ich liege ihm ständig in den Ohren, etwas Neues zu machen. Er bringt seine Platten selbst raus, so wie ich, aber ihm fehlt die Struktur. Das Management, ein Vertrieb.“ Michael Penn geht auch nicht mehr auf Tournee mit seiner Gattin. „Er mag nicht so gern reisen. Und wenn er mit mir unterwegs ist, denkt er immer, er sei der Chef der Band. Ist er aber nicht. Der bin ich.“