Im Weltall hört Dich keiner schreien
1979 kam ein Meilenstein des Horror-Genres ins Kino. Film-Studierende aus der ganzen Welt sezieren seitdem "Alien": Warum erinnert das gestrandete Mutterschiff des Außeridischen an zwei geöffnete Frauenbeine – und was holen die Astronauten dann aus dem Uterus dieses Frachters?
Am Anfang stand ein dicker, roter Ballon, und der gab lustige Furzgeräusche von sich. Unten hatte er Klauenfüße, die ungeduldig auf dem Boden klapperten, wenn’s gefälligst wieder was zu Fressen geben sollte. Was für ein putziger Außerirdischer!
1974 konnte noch keiner wissen, dass dieses billige Requisit, ein angemalter Ballon, der damals in John Carpenters Sci-Fi-Komödie „Dark Star“ zum Einsatz kam, Vorlage für ein später erschaffenes Monster sein sollte. Eines, das heute als das vielleicht Furcht erregendste überhaupt gilt: das „Alien“, aus Ridley Scotts gleichnamigen Film von 1979.
Seit dem Einsatz seines frechen runden Dings in „Dark Star“ ging Drehbuchautor und Schauspieler Dan O’Bannon mit der Idee seines „Star Beasts“ schwanger: ein von Astronauten an Bord geholter Außerirdischer dezimiert die Crew. Aus dem „Star Beast“ wurde dann das „Alien“, und das der Film auch nach 35 Jahren so großartig ist, liegt nicht nur an der Schauspieler-Riege – u.a. Sigourney Weaver, Ian Holm, John Hurt und Tom Skerritt –, sondern auch am Produktionsdesign.
Der Schweizer Surrealist H.R. Giger erschuf mit dem Alien einen Albtraum aus dem Unbewussten: ein Reptil mit riesigem Phallus-artigen Schädel, aus dessen Maul eine Penis-Zunge mit Zähnen herausschießt. Wenn wir es denn so sehen wollen.
Das Alien wir geboren
Film- und Kunst-Studierende aus der ganzen Welt sezieren seit Jahrzehnten diesen Film. Warum erinnert das gestrandete Mutterschiff des Außeridischen an zwei geöffnete Frauenbeine – und was holen die Astronauten dann aus dem Uterus dieses Frachters? Warum überall so viel Schleim? Was bedeutet es, wenn sich das Alien bei seiner „Geburt“ aus dem Brustkorb des menschlichen Wirts herausfrisst? Solche Fragen sind es, über deren Bedeutung sich die Fans tagein tagaus den Kopf zerbrechen. Neue Details findet man in „Alien“ immer.
Die britische Produktion sicherte 1979 den Durchbruch für einige der Beteiligten. Regisseur Ridley Scott gilt seitdem als großer Visionär (sein darauf folgender Film „Blade Runner“ sollte 1982 ähnlich gefeiert werden), Sigourney Weaver startete ihre Schauspiel-Karriere, und Charakter-Mime John Hurt war endgültig in Hollywood angekommen. Komponist Jerry Goldsmith lieferte einen seiner besten Soundtracks ab. Nur für Alien-Erschöpfer Autor Dan O’ Bannon lief es nicht ganz rund; sein einziger Erfolg nach „Alien“ sollte die Drehbuchumsetzung der Philip-K.-Dick-Kurzgeschichte „We Can Remember It For You Wholesale“ sein, aus der 1990 „Total Recall“ mit Arnold Schwarzenegger wurde.
Das Ende der Siebzigerjahre sollte zunächst auch das Ende des kritischen Science-Fiction-Films einläuten, der Wirtschafts- und Militärkonflikte von der Erde in den Weltraum verlegt (ab den Achtzigern kamen dann, mit dem zweiten „Star Wars“-Film, die Materialschlachten). „Alien“ zeigte noch, wie skrupellos Konzerne in ihrem Expansionsdrang geworden sind – ein geheimer Plan sieht vor, dass der Außerirdische als Bio-Waffe sicher gestellt werden soll, und die Schiffsbesatzung dabei getötet werden dürfe: „Priority one / Insure return of organism for analysis. /All other considerations secondary. Crew expendable.“ Keine Einwände aus der Politik.
Aber da hatten die Firmenbosse ihre Rechnung wohl ohne Ellen Ripley gemacht.