Im Tal der Puppen
Auf den Spuren männlicher Unterleibsrocker basteln sich DEAP VALLY ihren eigenen Feminismus. Damit sind sie nicht alleine
Die gitarre heult. Darunter dröhnendes Kesseln der Pauke. Giftig schnarrende Riffs. Eine Blondine, nackter Rücken zur Kamera, streift sich einen BH über. Unter abgesägten Hotpants blitzt die Hinterbacke hervor. Als Top genügt ein Fetzchen Stoff, das die Bezeichnung kaum verdient. Ihre Busenfreundin: feuerroter Lockenkopf, Lolita-Sonnenbrille mit Herzchen-Gläsern, am Körper kaum mehr als ihre Kumpanin. Schmollmünder, Whisky, Puderpinsel, Lederstiefel: zwei Girls, ready to rumble.
Doch die beiden sind nicht etwa nur hübsche Deko zum räudigen Rumpelrock. Sie sorgen selbst für den Soundtrack ihrer durchzechten Nächte. Die beiden langbeinigen Babes sind „Deap Vally“ (dank innovativer Orthografie sind Suchmaschinen-Treffer garantiert – sehr clever!) und sie donnern zum Angriff auf die Bastion des männlich dominierten Garage-Bluesrock. Die Formel „Stromgitarre und Drums“ fürs Bluesrecycling ist erprobt. Die White Stripes machten daraus eine Religion für die Nullerjahre. Eine logische Kette: White Stripes, Black Keys, Pink Dolls? Wohl eher Blue Dolls – oder eben: Deap Vally.
Angeblich haben sich Julie Edwards (dr) und Lindsey Troy (g/voc) in Los Angeles in einem Häkelkurs kennengelernt. Die gemeinsame Blues-Schlagseite führte zur Kumpanei, der Rest ist Blitzkarriere: schon im Jahr nach der Bandgründung 2011 gingen die lauten Schwestern ausgerechnet im Vorprogramm der Bombast-Rocker Muse auf Europa-Tour.
Lindsey Troys Stimme wurde wiederholt in die Nähe von Robert Plant und Janis Joplin gerückt, klingt aber eher wie Jack Whites hysterische Schwester. Julie Edwards nennt als Vorbild und Geistesverwandte Carla Azar, die Drummerin von Whites Frauenband. Schon in Jugendjahren habe man gemeinsam die Stöcke geschwungen. In der Garage-Szene bleibt halt alles in der Familie.
Zunächst noch bei Ark Recordings unter Vertrag (wo die Single „Make My Own Money“ erschien), wurden bei Island Records die weiteren Singles „End of the World“ und „Lies“ veröffentlicht. Bekanntheit brachte die Verwendung des Songs „Ain’t Fair“ in der Teenie-Serie „The Vampire Diaries“. Das kommende Debütalbum verspricht Solides: bluesgestützte Brachialetüden, unterstützt von großzügig dosierten Enthüllungen. In ihrer Attitüde scheinen die beiden kapriziösen Lolitas mit Whiskyfahne den Kalifornia-Girls Haim gar nicht unähnlich.
Wieso bloß wirkt das alles so präzise gesteuert? Jedenfalls sind Deap Vally in guter Gesellschaft. Zurzeit tummeln sich diverse Frauenbands im Haifischbecken des Ganze-Kerle-Rock. Etwa die bei Third Man Records unter Vertrag stehenden Black Belles, welche im hexenartigen Goth-Look bissigen Surfpunkrock spielen. Die einsame Wölfin gibt wiederum Becky Lee and Drunkfoot, deren Debüt „Hello Black Halo“ 2012 beim Schweizer Label Voodoo Rhythm erschien. Tretpauke und Becken erzeugen den Herzschlag, während die Gitarre den Blues in Fetzen reißt.
Trotz offensiver Sexiness sehen sich Edwards und Troy als „feminist role models“. Wie bitte? Mit all der nackten Haut, Laszivität und Katzen-Make-up? „Egal, ob Frau oder Mann: Rock ist Sex. Punkt. Janis Joplin, Tina Turner, Nancy Sinatra, Joan Jett – sie alle waren sexy“, sagt Edwards betont lakonisch. „Die Leute scheinen das vor lauter Weicheier-Muttersöhnchen-Indie-Rock und karrieregeilen Dance-Rock-Hipstern vergessen zu haben.“
So wandelt man auf den Spuren der ewigen Supermännchen Jagger, Plant oder Tyler; halt auf die weibliche Tour. „Chauvinismus macht einen großen Teil der Anziehungskraft von Rock’n’Roll aus“, doziert Edwards. Troy fügt hinzu: „Was ist überhaupt Feminismus? Am Ende geht es darum, dass Frauen selbst entscheiden sollen, wer sie sein wollen und wie sie sich geben. In ihrer Verletzlichkeit und Sexualität, ihren Makeln und Stärken. Weiblichkeit aus Feminismus auszuschließen, wäre idiotisch.“