Im Schatten der Schwester – Eagle-Eye Cherry stapelt wieder tief und hofft auf umso mehr
Auch Leute, die Adlerauge heißen, haben es natürlich nicht immer leicht. Zuerst war es nur der Vater, der legendäre Jazztrompeter Don Cherry, dann war’s die Schwester, die mindestens ebenso populäre Neneh Cherry, und jetzt ist er es auch noch selbst, der Erfolgsdruck auslöst durch seinen eigenen, überraschenden Millionenhit, den Radioschlager „Save Tonight“. Da sitzt er nun.
Ein Popstar in Stockholm, dem Ort, an dem er seine Kindheit verbrachte, bevor er sich in New York als MTV-Moderator, Schauspieler und schließlich Musiker versuchte. Doch ab Mitte der 90er Jahre die Produktion seines ersten eigenen Albums anstand, floh Eagle-Eye entgegen der gängigen Meinung über eine Erfolgversprechende Karriereplanung zurück in die typisch skandinavische Unaufgeregtheit Schwedens. Abseits des New Yorker Größenwahns sollte ein bescheidenes, bodenständiges Werk entstehen. Klare Gitarrenpop-Melodien und schlichte, leicht melancholische Texte. Der Rest ist bekannt. Das Album „Desireless“ verkaufte sich dank oben erwähnter Single millionenfach und machte den schüchternen Songschreiber mit der unkontrollierbaren Frisur über Nacht zum Semi-Star. Dem Erfolgsrausch folgten eine weltumspannende Tournee und eine schicksalhafte Begegnung.
„Letztes Jahr bei der Grammy-Verleihung kam dieser bärtige Typ auf mich zu und meinte, dass er gerne ein paar Songs mit mir produzieren würde“, sagt Cherry und grinst ob der darauffolgenden Pointe. „Der Typ war kein Geringerer als Rick Rubin! Das Problem war nur: Ich hatte in dem ganzen Tourstress keinen einzigen neuen Song geschrieben.“ Doch was soll’s: Solch eine Einladung zur Recording-Session erhält man nur einmal im Leben.
Eagle-Eye schnappte sich seinen Kumpel Chris Watkins, Sänger der Blues-Band The Preacher Boys, und verschanzte sich in einem Loft des New Yorker Brill Buildings. Danach waren sechs Stücke – unter anderem das lang ersehnte Duett mit Neneh – geschrieben, die Rubin mit seiner gewohnt laxen „Spielt mal drauflos“-Methode live im Studio aufnahm. Die eine Hälfte des zweiten Albums „Liringln The Present Future“ war also fertig; die andere Hälfte entstand in Stockholm mit Adam Kviman, der auch schon beim Erstling die Studioregie gefuhrt hatte.
Hier, wo Eagle-Eye glücklich und zurückgezogen mit seiner langjährigen Freundin Helena lebt, fühlt er sich erleichtert, ist stolz aufsein Werk – auf dem alles ein wenig nach „Save Tonight“ klingen will, aber stets knapp vorbeischrammt – und gönnt sich ein bisschen Entspannung. „In den letzten Jahren haben sich die Leute wieder mehr an traditionellem Songwritertum orientiert – eine Entwicklung, die ich natürlich nur begrüßen kann. Vielleicht habe ich Glück und noch einmal Erfolg. Wenn nicht? Beim ersten Album hab ich fast nichts erwartet. Beim zweiten auf noch weniger zu hoffen, ist sicher schlau. Dann tut’s nicht so weh, wenn’s daneben geht.“