Im Herzen Des Monsters
Megalomanie. Sex. Drogen. Rockmusik. Mit 70er-Jahre-Rezepten wurden die Kings Of Leon zur größten jungen Band der Welt. Ihre Tour durch den Süden der USA münzten sie jetzt in einen Familienausflug um. Wir waren dabei.
Am cirka 8745. Tag des Unternehmens Welteroberung scheint die Sonne und die Luftfeuchtigkeit liegt bei geschätzten 80 Prozent. Es ist später Nachmittag. Während von der Bühne leise Klangfetzen vom Soundcheck hinüberwehen, entsteigen Caleb Followill und seine sehr schöne Verlobte, das Wäschemodel Lily Aldridge, einem schwarzen Chevy-SUV. Die restlichen Kings folgen in dichtem Abstand in separaten Fahrzeugen gleichen Typs. Innerhalb kürzester Zeit gleicht der eben noch ruhig vor sich hindämmernde Backstage-Bereich einem Taubenschlag.
Wir sind im Cruzan Amphitheatre zu West Palm Beach, Florida. Die laufende Tour durch ihr Heimatland ist die bislang größte der Band. Abend für Abend spielen sie vor bis zu 30.000 Leuten, alle Konzerte sind ausver-kauft – dabei erscheint das neue Album „Come Around Sundown“ erst in vier Wochen. Es geht erstaunlich ruhig, ja familiär zu: Nathan Followill flachst mit Bruder Caleb, raucht einen Joint und schwenkt sein Weinglas. Pressesprecher Ken Weinstein albert mit seinem sechsjährigen Sohn herum. Theo Wenner, Sohn des ROLLING STONE-Gründers Jann, springt durch die Kulisse und macht Fotos. „Endlich im größeren Stil durch den Süden zu touren ist toll“, sagt Caleb. „Das war immer unser Traum.“
Die Kings reisen in diesen Tagen erstmals im Privatjet. Sie wählen stets eine Stadt als Basis – aktuell Miami -, von der aus sie dann zu allen Konzerten in der Region fliegen. Den heutigen Tag hat die Band am Strand verbracht, Nathan und Matthew Followill haben sogar einen kleinen Sonnenbrand. „Das macht die Dinge leichter für uns „, erklärt Nathan die Vorteile des Fliegens. „Wir hatten in den letzten Jahren keine Woche am Stück frei, da ist jede Bequemlichkeit willkommen.“ Der 31-Jährige schüttelt den Kopf und nimmt einen Schluck Bier: „Sieben Tage in Unterwäsche zu Hause zu sitzen und auf alles zu scheißen, das wird wirklich Zeit!“
Wir sitzen im mobilen Proberaum der Kings. Nathans Arm steckt in einer Schlinge, er hat sich die Schulter bei einem Bootsunfall verletzt. „So was kriegt ihr gar nicht mit“, sagt der Schlagzeuger, während er sich die Finger bandagiert, um sie sich später nicht blutig zu spielen. „Man will den Leuten eine gute Show liefern, muss also alle Beschwerden in der Garderobe lassen. Die Schulter tut extrem weh, aber ich kann spielen.“
Auch Matthew hat Probleme: Der Gitarrist hat sich den kleinen Zeh gebrochen. „Wenn man jede Nacht in einem anderen Hotel ist, ist manchmal der Wandschrank an der Stelle, wo zuvor die Toilette war“, erklärt er. „Man steht also mitten in der Nacht im Wandschrank und … nun ja. Und manchmal verletzt man sich eben auch.“ Matthew ist der unauffälligste King, man neigt deswegen vielleicht dazu, den 26-Jährigen zu unterschätzen.
„Matt ist unglaublich wichtig für die-se Band. Er denkt nur, keiner würde sich für ihn interessieren, und hält sich deshalb zurück“, sagt Tourmanager Ivan Kushlick. Das klingt nach Trostpreis, weswegen Kushlick hinterherschiebt: „Ich bin absolut beeindruckt davon, wie Matt und Jared, die anfangs ja noch minderjährig waren, im Auge der Öffentlichkeit erwachsen geworden sind, ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren.“
Kushlick ist seit 2004 für die Tourneen der Band zuständig und hat also einiges gesehen. Vom Drogenwahn der „Aha Shake Heartbreak“-Phase bis zur kollektiven Hysterie der letzten zwei Jahre. Klar ist, dass die Kings seit 2002 allen Ausschweifungen zum Trotz so hart gearbeitet haben wie keine andere Band ihrer Generation. So gelang eine Karriere, die in Zeiten der sogenannten Krise so anachronistisch wirkt wie die Musik auf ihren frühen Platten: Allein vom letzten Werk „Only By The Night“ wurden sieben Millionen Exemplare abgesetzt, Anfang des Jahres wurden sie mit drei Grammys ausgezeichnet, Ende Juni war ihr bislang größtes Einzelkonzert im Londoner Hyde Park binnen Minuten ausverkauft. Die Band hat inzwischen nicht nur ein eigenes Plattenlabel, es gibt auch eine KOL-Mode-Kollektion und wer weiß, was sonst noch alles. Man könnte das endlos fortsetzen.
Die Kings prügelten sich, nahmen haufenweise Drogen, reisen in getrennten Limousinen, lassen bei Festivals den Backstagebereich absperren (worüber sich Groove Armada jüngst in ihrem Blog beschwerten), tragen keine Backstagepässe, brachen kürzlich ein Konzert ab, weil sie in Maryland Heights während der ersten drei Songs von Tauben zugeschissen wurden. Zusammengefasst: Sie agierten in den letzten Jahren wie die überzogene Pastiche einer 70er-Jahre-Rockband – wie Stillwater vielleicht, jene fiktive Truppe aus Cameron Crowes Film „Almost Famous“.
„Irgendwann war der Punkt erreicht, wo wir zunehmend aus den falschen Gründen bekannt waren“, gesteht Nathan. „Wir hatten den Ruf, die größte Party-Band zu sein, es ging immer weniger um die Musik. Also fragten wir uns: Wollen wir eine Band sein, von der es später heißt, sie haben fünf Jahre Vollgas gegeben und sind dann gestorben oder auf Entzug gegangen – oder wollen wir wirklich für etwas stehen?“ Der Schlagzeuger zieht an seinem Joint, was das eben Gesagte ja zumindest ein bisschen relativiert. „Feiern ist erlaubt“, wiegelt er ab, „nur eben in Maßen. In jeder Stadt gibt es mindestens einen Sportler, Schauspieler oder Musiker, der eine Nase ziehen, was rauchen oder ein paar Drinks nehmen will, um dann sagen zu können: ‚Hey, wir haben mit der Band gefeiert.‘ Das ist auf die Dauer aber ein bisschen anstrengend. Wir haben inzwischen gelernt, bei solchen Anlässen nur noch 25 Prozent zu geben. Das reicht, um alle zufrieden zu stellen.“
Nicht nur der professionelleren Einstellung wegen muss man diese Karriere wohl in die Zeit vor und nach „Only By The Night“ einteilen. Jenes Album war der vorläufige kommerzielle Höhepunkt der vielleicht letzten klassischen Rockstar-Karriere, die wir erleben werden. „Zumindest kriegt heute niemand mehr so einen Vertrag“, sagt Nathan. Anfang des Jahrtausends unterzeichneten die Kings einen im besten Sinne altmodischen Deal über fünf Alben bei Sony Records. Seitdem haben sie sich ungeachtet aller Krisen und Massenentlassungen schrittweise zu dem entwickelt, was sie heute sind. Einige der Leute, die früher für sie zuständig waren und später bei Sony gefeuert wurden, hat die Band auf eigene Rechnung wieder eingestellt und so das Familienmodell auf die komplette Crew erweitert. „Von Anfang an war es uns sehr wichtig, loyal gegenüber jenen zu sein, die damals an vier zauselige Southern Boys geglaubt haben, die ihre Instrumente kaum spielen konnten“, erklärt Nathan.
Als das Interview vorbei ist, betritt ein älterer Herr den Raum und stellt sich als der Vater der Musiker vor. Nun kennt man ja die alten Geschichten vom Wanderprediger Ivan Leon Followill. Auf den Reisen mit seiner Familie durch den Süden der USA von einer Kirche zur anderen war Rockmusik verboten, da sie den Eltern als Werk des Teufels galt. So geht die Legende – und natürlich hat man sich den Ex-Priester und Band-Namenspatron stets als einen zauselig-verschrobenen Hinterwäldler vorgestellt.
Nun aber steht da ein freundlich dreinblickender Herr mit kurzen grauen Haaren, wettergegerbtem Gesicht und festem Händedruck. Eine Überraschung. Caleb erklärt den Gesinnungswandel: „Inzwischen ist er einfach nur stolz auf uns. Er hatte sicher früher ein klischiertes Rock’n’Roll-Bild. Wenn man seine Informationen nur aus der Presse bezieht, könnte man ja denken, es gehe nur um Drogen, Frauen, Alkohol und Schlägereien. Aber nachdem er jetzt ein paar Mal dabei war, hat er gesehen, dass das natürlich nicht so ist.“ Gut, dass Daddy offenbar selten die Berichte britischer Musikmagazine über seine Söhne liest.
Kurz nachdem der Followill-Clan für ein Familienfoto posiert hat – auch Matthews Vater Cambo ist zu Besuch -, stapft Ivan Followill davon und kauft den halben Merchandise-Stand leer. „Über 20 T-Shirts!“, berichtet Nathan kopfschüttelnd. „Die wird er daheim seinen Freunden schenken. Für uns ist das toll: Wir sind jahrelang nach Hause gekommen und haben allen erzählt, wie wir in Europa die größten Konzerte gespielt haben. Und dann waren wir wieder hier und traten vor 300 Leuten auf. Unsere Familie hat uns das mit dem Erfolg nie so ganz geglaubt. Nun sehen sie es endlich mit eigenen Augen.“
Es ist später Abend, das Konzert lief gut, aber nicht sensationell. Wir stehen hinter der Bühne, neben den Vätern sind Freunde der Band da, und einige Kinder tollen herum. Eine Szenerie, die eine Ahnung davon vermittelt, wie es bei den berüchtigten Familientreffen der Followills zugehen könnte.
Am ungefähr 8746. Tag des Unternehmens Welteroberung mietet Ivan Kushlick einen großen Konferenzraum und lässt eine Leinwand aufstellen. Die Followills wollen Football gucken. Es gibt Chicken Wings und anderes Grillgut – ein Southern Barbecue in einem der teuersten Hotels von Miami. Die Kings nehmen mit ihren Vätern Platz, alle stopfen sich die Wings rein und köpfen einige Biere. So locker, wie die Szenerie wirkt, ist indes niemand, es geht um viel. Zurzeit sind die Oklahoma Sooners, jener Club, dessen Geschicke der Followill-Clan mit heiligem Ernst verfolgt, auf Platz sieben der Tabelle. Nachdem sie in der letzten Spielzeit immer wieder knapp verloren hatten, bringen sie in den letzten Wochen die ganz heiklen Spiele gerade so über die Linie. Doch so eng wie heute war es noch nie: Es geht hin und her, das Spiel dauert länger und länger, der Zeitplan ist längst hoffnungslos aus dem Ruder gelaufen. In Tampa warten 16.000 Menschen auf die Band, doch bevor dieses Spiel nicht zu Ende ist, so viel steht fest, wird keiner das Flugzeug besteigen.
Vor dem Theater in Tampa breitet sich derweil ein riesiges Feldlager aus: Autos, Campingstühle, Barbecue. Vor allem sehr junge, sehr normal aussehende Leute. Aus den Boxen der meisten Autos dröhnen immer wieder „Sex On Fire“ und „Use Somebody“. Es sind diese beiden Songs, denen die Kings Of Leon den überwiegenden Teil dessen verdanken, was in den letzten zwei Jahren mit ihnen „passiert“ ist.
Im sogenannten VIP-Bereich spielt eine entsetzlich schlechte Coverband „I Wanna Be Sedated“, und das ist genau das, was hier läuft: Die schönsten und leider auch vulgärsten Leute der Stadt können sich offenbar nichts Tolleres vorstellen, als sich in einer kirmeshaft beleuchteten Feiluftarena mit Zehn-Dollar-Drinks abzuschießen. Einige Meter weiter entdecken wir einen Rekrutierungsstand der Navy mit einer wackligen Vorrichtung, die ein bisschen an einen Galgen erinnert, an der man, nun ja, Klimmzüge machen kann und soll. Die Schlange ist lang.
Mit der veränderten Publikumsstruktur und dem Erfolg kamen nicht nur die üblichen Vorwürfe alter Fans, auch Caleb selbst hat lange mit den neuen Umständen gehadert. Vor einigen Monaten bezeichnete er „Sex On Fire“ als einen Haufen Müll und die neugewonnen Fans als uncoole Leute, mit denen er privat keine Zeit verbringen würde. Als wir ihn gestern darauf ansprachen, relativierte er die Aussage: „Da hatte ich einen schlechten Tag. Es gab aber definitiv eine Zeit, in der mich dieser Mega-Erfolg extrem eingeschüchtert hat. Vor tausenden von Leuten zu stehen, die ganz offensichtlich aus einem ganz anderen Umfeld kommen als man selbst, das kann einem Angst machen.“
Generell ist Caleb der nachdenklichste King. Jared sagt, sein Bruder brauche immer irgendwas, worüber er nörgeln könne, und sei es der Erfolg. Insbesondere schmerzt den Sänger, dass seine Band seit dem Durchbruch von vielen Leuten geradezu gehasst wird. „Das öffentliche Bild von uns hat so wenig mit der Realität zu tun“, sagt er. „Auf der Bühne mögen wir diese große Rockband sein, eine Gang von Brüdern, die die Welt erobern will. Aber ansonsten sind wir einfach ein paar Jungs aus dem Süden, ziemlich schüchtern und erdverbunden.“
Der 28-Jährige machte sich auch die meisten Gedanken, als es Anfang des Jahres ins Studio ging. Er hatte sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Balanceakt hinzukriegen zwischen einem Ausbau des kommerziellen Erfolgs und dem Festhalten an der eigenen künstlerischen Integrität. Sein Unbehagen wurde nicht unbedingt dadurch verringert, dass die Kings ihre Komfortzone verließen: Nach zwei Alben in Nashville bezogen alle Bandmitglieder Wohnungen in New York. Dort nahmen sie „Come Around Sundown“ auch auf – in den Power Station Studios und einmal mehr mit den Dauerproduzenten Angelo Petraglia und Jacquire King.
Alle Kings bezeichnen New York als riesigen Einfluss für ihr fünftes Album. Die Band hat sich noch nie so wenig auf eine Produktion vorbereitet. Es gab kaum fertige Songs, keine nennenswerte Vorproduktion. Die Musiker gingen morgens ins Studio, ließen sich unterwegs von der Stadt inspirieren und nahmen auf, was ihnen dabei eingefallen war. Wenn sie keine Lust hatten, und sie hatten öfter keine Lust, gingen sie einen trinken und spielten eine Runde Dart. Da blieb wenig Zeit für das Schreiben von Texten. „Ich sang, was mir gerade durch den Kopf ging“, erklärt Caleb.
Ein Beispiel: Einige Monate zuvor war mehrmals in des Sängers Haus in Nashville eingebrochen und ein beträchtlicher Schaden angerichtet worden. Als Caleb davon erfuhr, setzte er sich hin, nahm eine Gitarre und sang spontan die Zeilen „This could be the end, I ain’t got a home, I’ll forever roam.“ In New York erinnerten sich die Musiker dieser Idee und spielten den Song ein – ohne ihn einmal geprobt zu haben. Das Ergebnis – „The End“ – steht nun am Anfang einer Platte, die erstmals in der Geschichte dieser Band keine neue Richtung einschlägt, sondern einen Querschnitt des bisherigen Schaffens verhandelt. Eine Art Best Of mit neuen Songs gewissermaßen – und genau so war „Come Around Sundown“ auch gedacht: Als eine Platte, auf der „für jeden etwas dabei ist“, wie Nathan erklärt. Man wird ihnen Kalkül unterstellen.
Die Stimme von Ken Weinstein reißt uns aus derartigen Überlegungen: Die Kings sind endlich in Tampa eingetroffen und tummeln sich jetzt vor ihren Garderoben. Ein schmaler Gang, Holzbohlen, darüber ein Blechdach. Es stinkt nach Rauch und Desinfektionsmitteln. Die Väter der Musiker stehen herum, rauchen Zigarren und tragen blütenweiße Sooners-Trikots. Ein gutes Zeichen? Ja, das ist es: Am Ende hat Oklahoma knapp gegen die Air Force Falcons gewonnen, es sind also alle glücklich.
Nathan steht in einer Traube von Freunden und raucht den obligatorischen Joint. Seine Wangen sind gerötet, diesmal nicht nur von der Sonne. Was wäre eigentlich gewesen, wenn die Sooners heute verloren hätten? „Das wäre eine verdammt betrunkene Show geworden“, sagt der Schlagzeuger. Aber eine Show? „Ja klar, gespielt hätten wir auf jeden Fall.“ „Noch betrunkener als jetzt wäre kaum möglich gewesen“, sagt Weinstein. Nathan nickt, alle lachen.
Noch zehn Minuten. Caleb singt sich warm, man hört es über den ganzen Flur. Tonleitern, gutturale Schreie, die klingen wie das Rasseln eines Penners in der U-Bahn beim Verkauf von Straßenmagazinen. Der sehr kräftige, sehr ehrfurchtgebietende Sicherheitsmann der Band nimmt die Getränkebestellungen fürs Konzert entgegen: Wodka Bull für Jared, Bier für die anderen. Dann setzt sich der Tross im dünnen Lichtkegel einer Taschenlampe in Bewegung.
Direkt hinter der Bühne halten sie kurz inne und klatschen einander ab. Dann lüftet Nathan die Zeltplane, die Kings Of Leon treten zu den Klängen von Mozarts „Lacrimosa (Requiem in d-Moll)“ vor die Massen. Alle springen an ihre Instrumente, der Jubel ist atemberaubend, Jared entlockt seinem Bass die brutal verzerrten ersten Töne von „Crawl“. Sein Instrument hält er dabei im Anschlag wie eine Waffe.
Das Publikum in Tampa ist kundiger und noch euphorischer als am Tag zuvor in West Palm Beach. Alte Songs wie „Molly’s Chambers“ werden stürmisch begrüßt, Cambo Followill beklatscht jedes Solo seines Sohnes, das Konzert ist ein Triumph. Danach geht alles blitzschnell: Nathan schmeißt seine Sticks in die Menge, Caleb verabschiedet sich und – zack! – klettern alle vier Kings in ihre hinter der Bühne geparkten Chevys, und der KOL-Tross entschwindet in die Nacht.
Zwei Wochen später: Am circa 8560. Tag des Unternehmens Welteroberung sitzt Jared Followill in seiner New Yorker Wohnung in Tribeca und bestellt sich eine Pizza, während er mit uns telefoniert. Die Band hat ein paar Tage Pause, draußen zieht der Herbst auf, es ist kalt.
Die ganz platte 08/15-Charakterisierung dieser Band wäre ja: Nathan ist der witzelnde Kumpeltyp, Caleb der nachdenkliche Introvertierte, Matthew der sensible Liebenswürdige – und Jared der Filou und Ladies-Man. Fest steht: Genau wie Vetter Matt stand der Bassist seines jugendlichen Alters wegen lange im Schatten der Brüder. Inzwischen hat die enorme Musikalität der beiden Gitarristen den Sound der Kings jedoch auf ein anderes Niveau gehievt. Der 23-jährige Jared ist zudem der weltlichste Followill. Im Gegensatz zu den anderen ging er nach der Scheidung der Eltern auf eine normale Schule und hat also auch die normalste Jugend der Brüder erlebt. Das prägt: Musikalisch sind die jüngsten Followills die Modernisten und die älteren die Traditionalisten. Daraus ergibt sich eine Grundspannung, die wohl nur deshalb nicht kippt, weil alle miteinander verwandt sind.
„Es ist ein ständiger Kampf“, bestätigt Jared. „Caleb versucht immer das Gegenteil von dem zu machen, was die Leute von uns erwarten.“ Und das gefällt ihm nicht? „So funktionieren wir halt. Jeder bringt verschiedene Elemente ein. Caleb und Nathan ihren Country-Kram, Matt und ich die moderneren Ideen – und am Ende versuchen wir aus all diesen Dingen die bestmögliche Platte zu machen. Einige von Calebs Sachen klingen einfach nicht gut, wenn wir sie zusammen spielen. Aber ich hasse Country sowieso.“
Einige hundert Meilen weiter sitzt Caleb Followill in Jogginghosen in Nashville über einer Tasse Kaffee. Der Sänger baut gerade ein Haus, sein altes hat er Matthew verkauft. Er mag New York, aber auf die Dauer fühlt er sich dort nicht wohl. Während der Aufnahmen war ihm der Titel des neuen Songs „Back Down South“ zu einer Art Mantra geworden, nun ist er endlich wieder daheim. Nach New York ging er wegen Aldridge, doch nach einiger Überzeugungsarbeit ist es ihm gelungen, sie zu überzeugen, mit ihm nach Nashville zu ziehen. Caleb verhandelt das Thema in dem Song „The Face“: „If you give up New York, I’ll give you Tennessee.“ Wird jetzt geheiratet? „So langsam wollen wir mal ein paar kleine Kings Of Leon herumrennen sehen“, grinst Caleb.
Doch zuerst geht es mit Jared nach Oklahoma – ein weiteres Sooners-Spiel steht auf dem Programm. Und danach wieder durch die USA, nach Brasilien, nach Europa – immer weiter.
Rolling Stone
KINGS OF LEON
The Whigs & The Black Keys
6.12. München, Olympiahalle
8.12. Hamburg, o2 World
9.12. Frankfurt, Festhalle
Infos: www.wizardpromotions.de