Im Alter von 34 Jahren starb Elliot Smith an Verletzungen, die er sich selbst beibrachte. Nachruf auf einen sanften Fatalisten
Die Wunde in der Brust, die er sich mit einem Messer zugefügt hatte, brachte ihn schließlich um. Eine Freundin hatte Steven Paul Smith gegen Mittag des 21. Oktober bewusstlos in einem Apartment in Los Angeles gefunden, er wurde in ein nahes Krankenhaus eingeliefert und starb bald darauf. Die Ermittlungen könnten noch Wochen dauern, ließ die Polizei verlauten, und die Familie, die den Toten identifzieren musste, gab bekannt: „Elliott was a beautiful, gentle soul, generous beyond words and loved so much by all of us.“ Den Namen Elliott hatte er sich selbst gegeben.
Der rätselhafte Tod passt auf makabre Webe zu einem Leben, das den Ruhm ganz plötzlich brachte und ihn mählich wieder entfernte. Die Oscar-Nominierung für den Song „Miss Misery“, die berückende Ballade in Gus Van Sants Film „Good Will Hunting“, lenkte die Aufmerksamkeit 1997 auf Smiths Talent; bei der Preisverleihung trat er auf, gewann jedoch nicht. Im selben Jahr erschien auch „Either/Or“, sein drittes und bestes Album, eine schlichte, innige Sehnsuchtsmusik, vorgetragen mit flehentlicher Stimme. Die Songs handeln von Verlust, Ausweglosigkeit und Fatalismus: „And when they clean the Street/ I’ll be the only shit that’s left behind“, singt Smith in „Rose Parade“, das fast wie ein Liebeslied klingt, wenn man nicht auf den Text hört. In „Either/Or“ war alles angelegt: der Selbsthass, die Verkapselung, die Zweifel. Dass Smith nicht Kurt Cobain als Generationssprecher nachfolgte, lag auch daran, dass er keine lärmende Band hinter sich hatte. Die Alben „XO“ (1998) und „Figure 8“ (2000) sind üppiger arrangiert, vorwiegend ums Piano, und schwelgen in Melodien, die an das melancholische, desillusionierte Spätwerk der Beatles erinnern. Doch oft schafft Smith nur Atmosphäre, illuminiert nur Momente, statt Songs auch konsequent durchzuführen.
Insofern ist seine Interpretation von „Because“, Beitrag zum Soundtrack von „American Beauty“, vielleicht Smiths schönste und traurigste Aufnahme: Wie er hier alle Sehnsucht in die Kopfstimme legt, das hat mehr Poesie als die windige Sache mit der wehenden Plastiktüte, die das Zentrum des Films bilden soll. Die Art, wie Kevin Spacey seinem eigenen Niedergang ungerührt zuschaut und sich dann rücksichtslos ins Leben stürzt, müsste den destruktiven Eigenarten von Elliott Smith ziemlich nahe geweisen sein.
Der Songschreiber machte keinen Hehl daraus, dass er Alkohol und Heroin nur in der Therapie entkommen konnte, und letztlich haifauch sie nicht. Noch im Juni erzählte er der Zeitschrift „Under The Radar“ bereitwillig und präzise, wie er im „Neurotransmitter Restoration Center“ behandelt wurde, wie ihm Aminosäuren durch einem Katheter verabreicht wurden, wie er antipsychotische Medikamente bekam, obwohl er sich nicht als psychotisch einschätzte. „Normalerweise ist es ein Prozess von zehn Tagen, aber bei mir dauerte es viel länger“, sagte Smith freimütig.
Zugleich waren die Arbeiten an dem neuen Album, das den Arbeitstitel „From A Basement On The Hill“ trug, immerhin zur Hälfte beendet. Smith beschrieb die Songs als „zunehmend verrückter“, und er war selbst überrascht davon, dass sie ihm noch gefielen, als sie erst mal fertig waren. Die Einnahmen wollte er diesmal einer Wohlfahrtsorganisation für misshandelte Kinder spenden, wehsalb er ausnahmsweise am kommerziellen Erfolg interessiert war. Die früheren Platten, auch die seiner Band Heatmiser, fanden allerdings bescheidenen Absatz. Und zuletzt waren die Erwartungen an eine neue Platte naturgemäß gewaltig, denn seit „Either/Or“ galt er als Referenzfigur für junge Songschreiber, und jeder introspektive Gitarrist wurde sogleich an ihm gemessen. Wobei es tatsächlich kaum einen talentierteren Autor gab.
Smith stammte aus Omaha, Nebraska, kam jedoch schon Anfang der Neunziger nach Los Angeles und nahm mit Heatmiser eher konventionelle Rock-Songs auf, ehe er im Jahr ’94 sein Solo-Debüt „Roman Candle“ herausbrachte, das in Deutschland – wie auch die zweite Platte, „Elliott Smith“ erst nach den Lorbeeren für „Either/Or“ veröffentlicht wurde.
Die Magie eines metaphysischen Heimwehs, die „Either/Or“ verströmte, hatten Smiths andere Arbeiten nicht Es ist eine stille Verzweiflung, die jenseits der praktischen Umstände des Alltags lag und die sich in ungelenken Worten ihre Bahn brach, aber nie die Musik infizierte, die das ätherische Gegenteil von Punk war. Ein Trotz, der ihn am Ende nicht mehr schützte. „Do what you want to whenever you want to/ Though it doesn’t mean a thing/ Big nothing.“