Ikea nimmt Expedit aus dem Programm – Plattensammler sind alarmiert
Im Web organisiert sich erstmals in der Geschichte Widerstand gegen einen Sortimentswechsel bei Ikea. Ein Bericht von "Die Welt".
Aus „Welt Online“, 19. Februar 2014.
Expedit ist Kult. So schlicht, dass es überall hinpasst. So billig, dass es sich fast jeder leisten kann. In manchen Wohnungen bedeckt das modular aufbaubare und preisgünstige Regalsystem von Ikea ganze Wände, andere nutzen es als Raumteiler, wieder andere stellen Nippes und Zimmerpflanzen in die Minimal-Variante.
Doch bald ist es vorbei mit Expedit – Ikea stellt den Verkauf ein. „Expedit geht im April aus dem Verkauf“, sagte eine Sprecherin der deutschen Vertriebstochter. „Es handelt sich um einen ganz normalen Sortimentswechsel'“, ergänzte sie.
Das muss dazu gesagt werden, denn im Netz wächst die Aufregung. Eine Facebook-Gruppe polemisiert gegen den Nachfolger „Kallax“, und ein Blog namens „Kotzendes Einhorn“ appelliert an die Käufer: „Empört Euch – Expedit-Produktion wird eingestellt“. Es ist wahrscheinlich das erste Mal in der Geschichte sozialer Netzwerke, dass sich Widerstand gegen einen Sortimentswechsel in der Möbelindustrie organisiert. Die Fans wollen sich nicht damit abfinden, dass das seit Jahren hergestellte System mit den innen 33 mal 33 Zentimeter großen Quadraten, das es (noch) in glänzend weiß, schwarzbraun, Buche-Nachbildung und zahlreichen Farb-Varianten gibt, bald Möbelgeschichte sein und wohl neben legendären Konsumprodukten wie Musikanlagen von Braun oder Alessi-Wasserkesseln in den Design-Museen landen wird. Wie lieb die Deutschen das Quadrat-Design mit dem skandinavischen Image gewonnen haben, zeigen geradezu entsetzte Reaktionen mancher Kundengruppen auf das Expedit-Aus. Sammler von Vinyl-Platten etwa fühlen sich von dem schwedischen Möbel-Giganten allein gelassen. Aber sie geben nicht auf. Schon hat sich auf Facebook eine Gruppe mit dem Titel „Rettet das Ikea Expedit Regal“ mit weit über 5000 Unterstützern gegründet.
„Plattensammler sind traurig. Bitte um eine Stellungnahme“, schreibt ein frustrierter Musikfreund. Andere reagieren völlig verständnislos: „So was hässliches wie Billy bleibt seit Jahren und Kult Expedit geht?! Da tut sich Ikea aber überhaupt keinen Gefallen.“ Manch einen treibt die Empörung gar zu einer veritablen Möbelhaus-Beschimpfung: „Was soll der Scheiß“, fragt ein Regal-Fan. „Expedit ist Kult, das kann man doch nicht so einfach wegrationalisieren. Ihr seid doch irre.“ Es folgen fünf Ausrufezeichen. Die Öffentlichkeitsarbeiter des Möbelriesen mühen sich derweil, zu verhindern, dass die Liebe zu Expedit in Hass auf Ikea umschlägt. Der Möbelhändler wolle „stets ein attraktives Sortiment für möglichst viele Menschen“ anbieten, versuchen sie die Kritiker in den sozialen Netzwerken zu besänftigen. Deswegen seien Produktwechsel schon einmal notwendig. „Wir können dich aber beruhigen, denn ab April wird es schon einen Nachfolger geben“, heißt es weiter. Die hartgesottenen Expedit-Fans beruhigt das nicht wirklich. Sie bezweifeln beispielsweise, ob die Nachfolger-Serie namens „Kallax“ die schweren Schallplatten so klaglos wegsteckt wie Expedit. 100 LPs samt Cover bringen immerhin rund 15 Kilo auf die Waage, und viele Sammler nennen Tausende LPs ihr eigen.
Kallax sei eine „verbesserte Version von Expedit“, beruhigt die Sprecherin des Möbelhauses die Skeptiker. Ein Argument der Kritiker kann sie allerdings nicht entkräften: Beim oft praktizierten Nach-und-Nach-Zukauf von Expedit-Elementen, etwa wenn Zwei zusammenziehen oder die Familie wächst, passen die neuen Regale künftig nicht mehr nahtlos zur bald museumsreifen Variante.