Ihr zweites Album hat Joan Osborne den langersehnten Durchbruch gebracht
Auf der Rückseite von Joan Osbornes zweitem Album „Relish“ (nach „Soul Show“, 1992) ist eine merkwürdige Truppe von Landarbeitern samt einer sehr entschlossen dreinblikkenden Frau abgebildet „Das“, so Joan, sind meine Urgroßeltern und ihre zehn Söhne. Einfache Leute vom Land, die wußten, worauf es ankommt. Abends erzählte man Geschichten, am Wochenende machte man dann Musik. Etwas anderes gab es nicht“
Ein fruchtbares Erbe, auf das die 34jährige aus Anchorage, Kentucky, zurückblicken kann. Ihre Eltern lernten sich im örtlichen Kirchenchor kennen. Bis zum zehnten Lebensjahr wurde sie katholisch erzogen. „Dann traten meine Eltern aus der Kirche aus, die Institution erschien ihnen zu bigott. Meine Erinnerungen an die Gottesdienste sind geblieben. Heute glaube ich einfach an die spirituelle Kraft der Schöpfung. Das Leben ist wunderbar genug.“
Sakrale Anleihen, aufs Alltägliche bezogen, finden sich folglich oft in Joans Texten. Was, wenn Gott einer von uns wäre („One Of Us“) würde er nicht auch das Universelle im normalen Individuum erkennen? Oder „StTeresa“, in Anlehnung an die spanische Heilige aus dem 16. Jahrhundert: Wäre sie heute vielleicht Reinkarnation einer irdischen Junkie-Braut, die Joan immer an der Bahnstation sieht und die wirr vor sich hinbrabbelt? Im Traum trifft Joan Ray Charles, der zwar sehen, dafür aber nicht mehr singen kann und lieber wieder blind wäre. – Lieder wie Kurzfilme einer ehemaligen Studentin an der Filmschule der New Yorker Universität.
Joan Osborne lebt seit zehn Jahren in Manhattan. Erste Erfahrungen als Sängerin machte sie in den Semsterferien auf einer Europa-Reise: Mit Freunden spielte sie in den Fußgängerzonen von Parma, Genf und Paris. „Eine gnadenlose Live-Schule. Da muß niemand stehen bleiben, dir zuhören und sogar noch Geld in den Hut werfen. Da mußt du überzeugen.“
Melissa Etheridge tat gut daran, die sinnliche Joan zu fördern und als Vorprogramm für ihre Tournee einzuladen. Joans Performance ist kraftvoll, selbstbewußt und sexy. „Man muß schon gute Songs haben, um sie jeden Abend gern zu singen.“ – Dieser Haltung dürfte es wohl auch zu verdanken sein, daß Jlelish“ in die US-Top-20 kletterte und Joan inzwischen für fünf Grammy-Awards nominiert worden ist.
Sie selbst wurde per Zufall entdeckt, als sie leicht angetrunken in ihrer Lieblings-Bar Billie-Holiday-Lieder zum besten gab. Kurz darauf nahm sie an einem Songwriter-Workshop des legendären Doc Pomus teil. „Er gab uns als Motto mit auf dem Weg: Schreiben, schreiben, schreiben. Irgendein Song wird gut sein, den Rest dürft ihr vergessen.“ Und so schreibt Joan leidenschaftliche Lieder über Gott, menschliche Irrungen, Träume und die Liebe. „Das Thema Liebe ist mein ganz persönlicher Gospel, denn den Richtigen habe ich noch nicht gefunden. Männer haben Schiß vor mir, dabei bin ich ein richtiges Kätzchen. Mir aber bleiben meine musikalischen Erlebnisse.“ – Und kann die ein einzelner Mann ersetzen?