Iggy Pop: Hamburg, Grosse Freiheit
Da kauert er nun, Aug‘ in Aug‘ mit den harten Fans in den ersten Reihen, während die in den hinteren schon gewaltig die Köpfe recken müssen, um ihren Helden überhaupt sehen zu können. Iggy – dieser fleischgewordene Widerspruch aus Alter (Gesicht) und Jugend (Körper) – gibt gleich die Devise „No Shit“ aus, reicht flugs zur Akustik-Gitarre die feuchte Fußboden-Romanze mit seinem „Nazi Girlfriend“ hinterher. Doch das dem letzten Album „Avenue B“ entlehnte Intro bleibt ein Täuschungsmanöver. Hinter Iggy stehen ja auch schon die Männer mit den Mähnen vor ihren Marshall-Türmen bereit, scharren ungeduldig mit den Hufen – wie Rennpferde, die darauf brennen, endlich aus den Boxen gelassen zu werden.
Als Iggy sie dann rauslässt, mit „Espanol“, ranlässt an einige der essenziellsten Riffs des Rock’n’Roll, gibt es kein Halten mehr. Von wegen: Alterswerk, kontemplatives. Nein, Iggy ist immer noch auf der Suche, um zu zerstören, und die Männer mit den Mähnen sind ihm dabei kundige Helfer, mit ihrer brachial-lauten, scharfmetallenen Soundlawine. Dieses „Real Wild Child“ will immer noch unser Hund sein, und wir gehen gern Gassi mit ihm, während der tosende Saal in fluoreszierendem Licht flackert. Huch! Was ist das? Die Männer mit den Mähnen sind zwischendurch auch zu subtileren Tönen fähig, wenngleich sie der Medeski, Martin & Wood-Vorlage von „I Felt The Luxury“ nicht ganz das Wasser reichen können. Im Parkett wird derweil ob Iggys später Einsichten die eine oder andere heimliche Träne verdrückt.
In Gefühlsduselei verfällt indes niemand. Was ja auch schwer fällt, wenn „Lust For Life“ und „Passenger“ von der Bühne boppen und zwischen den Songs volles Saallicht blendet: Ich will euch auch sehen! Nach einer öffentlichen Gruppentanztherapie (mit Anfassen!) auf der Bühne, kniet Iggy zum Auftakt der Zugabe wieder nieder, um auf der „Avenue B“ zu flanieren. „I am gonna need a miracle“, singt er. Dabei hat sich das Wunder doch schon längst manifestiert. Und es geht noch weiter: „No Fun“, „Sixteen“ und zum Schluss „Louie Louie“. „Goddamit!“ keift Iggy kurz ins Mikro, spuckt aus, weil er die Menge noch nicht ganz da hat, wo er sie haben will. Also hebt er noch ein letztes Mal beschwörend die Arme. „I gotta go now, I gotta go now!“ Ja, Iggy, verdammt.