Ich will Foreigner zurück!

WÄRE DIE WELT EINE BESsere, wenn die Dinge andere Namen hätten? Ich möchte darauf sogleich mit einem saftigen „Nein!“ antworten. Ein Beispiel: Muss tatsächlich alles auf einmal „Manufaktur“ heißen? In meiner Heimatstadt haben seit vorgestern gefühlt 738 Burger-Manufakturen aufgemacht: gehobene Pommesund Buletten-Läden, geführt von tätowierten Bartmenschen, die ihre prollige Ware nicht länger an schlecht durchblutete Typen in engspannenden und fettbefleckten T-Shirts veräußern wollen, sondern gezielt auf Nachhaltigkeits-Nervensägen schielen. Ich fand es ganz in Ordnung, dass Burger und Pommes als Schrottessen galten. Sich aber als „Burger-Manufaktur“ zu bezeichnen ist schlicht … hm, lassen Sie mich nachdenken … ah, ich hab’s: doof! Aber sollen sie doch. Soll doch alles ruhig Manufaktur heißen! Sex-Manufaktur, Fingernagel-Manufaktur! Mobilfunk-Manufaktur! Manche Dinge sind wiederum ja tatsächlich längst in gediegener Manufakturhaftigkeit erstarrt: weite Teile der Popmusik etwa. Von mir aus können sich all die mit Fideln und Banjos ausgestatteten Neo-Folkrock-Bands mit ihren Glockenstimmensängern gerne künftig als Musik-Manufakturen bezeichnen.

Auch anderes heißt anders. Vielleicht bin ich ja der Letzte auf der Welt, der es erfährt, aber jene rechtschaffenen Zeitgenossen, die für Rockmusiker die Bühnen aufbauen, heißen nicht mehr Roadies. Das hat irgendwer hinter meinem Rücken geändert! Nein, Roadies heißen heute „Stagehands“, manchmal auch nur „Hands“. Neulich sagte mir jemand: Eine Person, die als „Stagehand“ wirkt, in ihrem Beisein als „Roadie“ zu bezeichnen, könnte womöglich nach sich ziehen, dass man bald mal die „Hand“ des vermeintlichen Roadies zu spüren bekommt (Ich gebe zu, der letzte Satz ist konstruiert und funktioniert, wenn man ihn hört besser als auf dem Papier, aber das ist bei vielem, was Elvis Costello macht, auch nicht anders).

Es gibt aber auch -gerade im popmusikalischen Kontext -Dinge, die dringend einer Neubenennung bedürfen. Ganz vorne liegt hier das Wort „Alternative“, für das immer noch keine, pardon, „Alternative“ vorzuliegen scheint. Nun ist es eine Sache, wenn ein junger, brettschmaler Musikant auf die im ungezwungenen Party-Kontext gestellte Frage, was für Musik er denn mache, einigermaßen uninspiriert „Na ja, so Alternative halt“ antwortet. Womöglich ist es ja eine kluge junge Dame, die ihm die zwar banale und häufig vernommene, gleichwohl aber berechtigte Frage gestellt hat. Besagte kluge junge Dame denkt sich dann eben: „Sicher, ich hätte es wissen können: Er sieht eigentlich genauso fad aus wie seine Antwort ausfiel und seine Musik vermutlich klingt, aber ich wollte ihm eine Chance geben. Dann bändele ich doch lieber mit dem Typen von vorhin an, der wahrscheinlich Laptop-Singer/Songwriter ist, sich aber als Techno-Barde bezeichnet hat.“

Wirklich nervig ist es, wenn das A-Wort Menschen aus dem Mund purzelt, die es besser wissen müssten. Beim Kochen höre ich gerne Deutschlandradio Kultur. Neulich aber musste ich vernehmen, wie ein Redakteur behauptete, bei Placebo handele es sich um „eine der besten Alternative-Bands der Welt“. Ich könnte noch nicht einmal sagen, ob er recht hat oder nicht. Ich weiß nur, dass der Begriff nichts taugt, da schlicht nicht klar wird, zu was hier eine Alternative geboten werden soll. Der Begriff impliziert lustigerweise, dass wir immer noch in einer Welt leben, in der Foreigner den ganzen Tag „I Wanna Know What Love Is“ singen und John Farnham und Richard Marx die Welt mit hallbeladenem Poprock unterjochen. In einer solchen Welt wären die wackeren Männer von Placebo womöglich Outlaws, die sich dem Diktat des Dauerwellen-Rock standhaft widersetzen. Fakt aber ist, dass Bands wie Placebo einigermaßen überall sind, mithin also keine Alternative darstellen. Ich möchte hier aber gar nichts gegen Placebo sagen, das sind rechtschaffene Kultur-Manufakteure, die bestimmt niemals einen „Hand“ als „Roadie“ bezeichnen würden. Vielleicht brauche ich auch einfach nur einen Burger. Oder ein Comeback von Foreigner. Das wäre mal eine Alternative.

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