Ich will einen Picasso in mein Haus
Pop und Kunst haben eine lange und oft auch sehr produktive Geschichte miteinander, und 2013 kamen einige interessante Kapitel hinzu. Einer der schönsten Länderpavillons auf der Venedig-Biennale 2013 – dem wichtigsten Treffpunkt der Kunstwelt in diesem Jahr – stammte von Jeremy Deller. In früheren Arbeiten ließ der Brite zum Beispiel Brass-Bands Acid House und Detroit Techno spielen, aus den sozialen und musikalischen Verbindungen beider Genres machte er ein kompliziertes Wandgemälde. Und auch in seinem großen Filmbeitrag „English Magic“ in Venedig stand eine jamaikanisch-britische Steel-Band am Anfang – sie spielte unter anderem einen Song von David Bowie.
Wenn bei Deller der Pop in die Kunst einbricht, dann hat er immer die „people“ im Schlepptau, es geht um Demokratisierung, Inklusion. Ganz anders auf der anderen Seite des Atlantik, wo sich in diesem Jahr eine seltsame Pop-und Kunst-Allianz formierte, die ganz auf Celebrity-Niveau funktionierte. Schuld sind wahrscheinlich die vielen Spenden-Dinner, wie sie beispielsweise das New Yorker Museum of Modern Art veranstaltet. Die Reichen und Schönen aus beiden Sphären treffen sich beim Häppchen – und am Ende landet dann Anselm Kiefer mit Courtney Love im Hotelzimmer und das Foto davon auf Twitter.
Bei so einer Gelegenheit müssen einige Popstars der Performance-Künstlerin Marina Abramovic zu lange in die Augen geschaut haben. Sie jedenfalls wurde in diesem Jahr zu einem Verbindungsglied zwischen den Sphären. Abramovic hat ein durchaus radikales Frühwerk von Körper-Aktionen zu bieten, ist aber seit einigen Jahren vor allem mit der Musealisierung ihrer selbst beschäftigt. Höhepunkt ihrer großen Retrospektive im MoMa vor drei Jahren war eine Performance, bei der sie andere Besucher möglichst lange unverwandt anstarrte – so intense! Diese Strategie hat im Sommer 2013 der Rapper Jay Z übernommen: Sechs Stunden lang sang er in der renommierten New Yorker Pace Gallery seinen Track „Picasso Baby“ den Besuchern jeweils einzeln ins Gesicht – darunter Marina Abramovic. „Ich will einen Picasso in mein Haus“, lautet die zentrale Zeile aus dem Track. Jay Z hat offenbar von den vielfältigen Facetten der zeitgenössischen Kunst vor allem den Geldaspekt herausgesucht, teuer, must-have.
Ganz uneigennützig gab sich dagegen Lady Gaga, die sich nackt auf einen Stein hockte, um eine Crowdfunding-Kampagne zu unterstützen – für Abramovic, die sie mittlerweile ihre Mentorin nennt. Das Cover zu ihrem neuen Album ließ sich die kunstliebende Gaga dann von Jeff Koons gestalten. Noch so einer, der seine innovativen Zeiten lange hinter sich hat und seit Jahren vor allem sein eigenes, erstarrtes Grinsen zu Geld macht.
Wenn das so weiter geht, denken die jungen Kunststudenten von heute bald nur noch: Pop Art bedeutet, Mainstream trifft Mainstream und zeugt schlechten Geschmack. 2014 sollte man die Popstars dieser Welt mal zu Jeremy Deller schicken.