Ich – unwiderstehlich
Der Blick über New York, die lichtdurchfluteten Penthouses, die wuseligen Büro-Etagen, die zerwühlten Betten mit schönen Frauen darauf: In mancherlei Hinsicht ist „Suits“ eine Serie, die noch einmal die Träume der 80er-Jahre, von „Wall Street“ und „Das Geheimnis meines Erfolges“,“Big“ und „Cocktail“, durchspielt. Der Börsenbroker taugt aber nicht einmal mehr zur ambivalenten Figur. Der Anwalt ist der neue Börsenmakler: Es kommt bei ihm wie im schönsten Bret-Easton-Ellis-Schocker auf den Anzug an. Erst wenn er verwechselbar aussieht, fühlt er sich richtig wohl.
„Suits“ ist insofern modern, als immer auch die Frage der Moral gestellt wird. Gabriel Macht als Harvey Specter ist ein Parvenü und Hallodri reinsten Wassers, protegiert von der Kanzlei-Chefin Jessica Lourdes (Gina Torres), die wiederum einem Patriarchen im Hintergrund gehorcht (Victor Garber als privatisierender Frühstücksdirektor im Garten seiner Villa). Weil Specter den größten Umsatz macht, die meisten Klienten bringt usw., duldet Lourdes auch Sex, Lügen und Peinlichkeiten und düpiert den fleißigen, aber weniger genialischen Anwalt Louis Litt (Rick Hoffman), der außerdem eine noch größere Arschgeige ist.
Mike Ross (Patrick J. Adams) ist ein verkrachter Jurastudent, der gegen Honorar die Eignungstests für andere erledigt und sich auf einen Marihuana-Deal einlässt, um der gütigen Oma das komfortable Zimmer im Altenheim finanzieren zu können. Ross hat ein fotografisches Gedächtnis, wird nach einer Eselei aber an keiner Universität mehr zugelassen. Das Drogengeschäft ist eine Falle, und auf der Flucht vor der Polizei stolpert Ross in Specters Bewerbungsgespräche. Der begreift ihn schnell als Naturtalent und beschäftigt ihn gegen die Regel der Kanzlei, dass nur Harvard-Absolventen angestellt werden, als Assistenten. Jetzt muss Ross, ganz „Pretty Woman“, erst einmal in teure Maßanzüge gekleidet werden, um wie alle anderen auszusehen; im Überschwang beschwatzt er die attraktive Assistentin zu aufdringlich, und in der Praxis fehlen ihm natürlich die Erfahrungen. Specter dagegen, der viel Wert darauf legt, sich um niemanden zu kümmern und niemals den Menschen zu sehen, erweist sich als überaus geduldiger, ja gefühliger Lehrer. Recht eigentlich gibt es keinen Hinweis auf seine Skrupellosigkeit, wenn man davon absieht, dass er den Kotzbrocken Litt immer wieder vorführt.
Die Agentur übernimmt in guter amerikanischer Tradition auch Pro-bono-Fälle, die nur dem Renommee dienen. Kaum trifft Ross eine Frau, die am Arbeitsplatz sexuell belästigt wurde, lässt er sich von Sentimentalität leiten, während es Specter am Ende gelingt, die raffinierten Winkelzüge der Gegenseite aufzudecken. Die juristischen Strategien sind natürlich so wahrscheinlich und gutmütig wie ein Drehbuch von David Mamet, verfilmt von Steven Spielberg.
Dass die Juristerei in den USA bizarre Blüten treibt und es fast immer ums Ganze geht -das ist zwar die Voraussetzung für „Suits“, kommt im Pilotfilm aber kaum zum Tragen. Fast treuherzig agieren die beiden von sich selbst beeindruckten Trickser, alles ist irgendwie ironisch, wo Tom Wolfes „Masters of the Universe“ es mit Entzug der Boni, Suspendierung und gesellschaftlicher Ächtung zu tun hatten. Entlassung und Kündigung gehören hier zum großen Ego-Spiel; man wartet und schaut am nächsten Morgen, wer es ernst gemeint hat. Produzent Doug Liman hat schon mit den „Bourne“-Filmen gezeigt, dass man keinen besseren Partner hat als seinen Egoismus.
Der Pilotfilm läuft am 7. Februar auf Vox.