„Ich schaue längst kein MTV mehr“
GUT MÖGLICH, DASS SICH DIE MEISTEN EIN falsches Bild von ihm machen: Sie glauben, Michael „Nez“ Nesmith leide darunter, der „Monkee mit der grünen Wollmütze“ zu sein. Sie glauben, er sei ein notorischer Einsiedler und habe sich längst aus der Musikszene verabschiedet. Einige dieser Missverständnisse erklären sich sicher aus der Tatsache, dass er so selten Interviews gibt. Ende Februar ist zudem Band-Kollege Davy Jones verstorben. Insofern war es erstaunlich, dass er diesmal selbst zum Hörer griff, um über die anstehende Monkees-Tournee zu sprechen, ein mögliches neues Album und seine Rolle bei der Gründung von MTV.
Wo immer man Ihren Namen liest, wird er meist in Verbindung mit dem Wort „Eremit“ genannt.
(Lacht) Ich bin alles andere als ein Eremit. Aber muss man jedes Mal springen, wenn die Presse anruft?
Nun, im Laufe der Jahre sah man zwar die drei anderen Monkees, nie aber Sie. Das hat wohl zu dem Eindruck geführt, dass Sie ein zurückgezogener Mensch seien.
Mir macht’s ja nichts aus, wenn die Medien so von mir denken, aber tatsächlich ticke ich ganz anders. Ich liebe es, unter Leuten zu sein, ich liebe die Gesellschaft, ich liebe die Zivilisation und all ihre Errungenschaften. Letztlich sind wir doch alle nur füreinander auf dieser Welt.
Man hat Sie auch einen „Country-Rock-Pionier“ genannt, was Sie aber wohl ebenso wenig schätzen. Ich wüsste nicht, wie sich „Country-Rock“ definieren ließe. Ob in Rap, HipHop oder Punk: Es gibt so viele Sub-Genres, dass die Grenzen längst verschwimmen. Was ich damals mit der First National Band spielte, hielt ich tatsächlich für Countrymusik -wenn auch nicht im Country-&-Western-Sinne à la Patsy Cline oder Hank Williams.
Im vorigen Jahr waren Sie auf einer Solo-Tour, auf einer Monkees-Tour – und sind nun wieder mit Ihren alten Kollegen unterwegs. Was hat Sie zurück auf die Bühne gebracht?
Ich war in früheren Jahren eben anderweitig beschäftigt – und werde inzwischen auch nicht mehr von so vielen Dingen abgelenkt. Micky (Dolenz) und Pete (York) waren auch nicht die Einzigen, die mich fragten, ob ich nicht wieder auf die Bühne wolle. Es gab eine Menge alter Kollegen aus Nashville und San Francisco, die mir sagten, dass sie gerne wieder mal spielen wollten. Ich fing zunächst ganz bescheiden an, in England, in der „Henry Miller Library“, aber mit jedem Mal machte es mehr Spaß. Ich weiß nicht, wie lange der Spaß andauern wird, aber im Moment bin ich bester Dinge. Nach der Monkees-Tour steht im Herbst schon wieder eine „Nez“-Tour auf dem Programm. Momentan packe ich alle Termine, die sich anbieten, in meinen Kalender.
Ich habe den Eindruck, dass eine Monkees-Tournee heute hipper ist als je zuvor.
Keine Ahnung. Wie kommen Sie darauf?
In den Sechzigern rümpfte man über die Monkees doch die Nase, weil sie für eine Fernsehserie zusammengestellt wurden, die an Kinder vermarktet wurde. Inzwischen merken die Leute, dass es nicht nur Hits, sondern richtig gute Songs waren.
Sie haben schon recht: Es war unser Kreuz, mit dieser kontextuellen Last groß werden zu müssen. Wir konnten die Ablehnung mit Händen greifen. Die Monkees waren nun mal ein Produkt des Fernsehens, während die Platten zunächst nur als Nebenprodukt galten. Aber ich bin stolz auf diese Platten. Es gab kein besseres Team, mit dem man damals diese Platten hätte aufnehmen können. Und inzwischen tritt die Qualität unserer Arbeit eben mehr in den Vordergrund, während sich der TV-Kontext in Luft aufgelöst hat.
Man vermutete immer, dass Sie darunter litten, ein Ex-Monkee zu sein. Aber das scheint wohl nicht der Fall zu sein?
Im Gegenteil, die Band war ein wichtiger Teil meines Schaffens, eine wundervolle Zeit in meinem Leben. Wer in den Sixties groß wurde, konnte vom Leben einfach nicht mehr erwarten, als in einer Rock’n’Roll-Band zu spielen und in diese ganze Szene einzutauchen. London war der Hammer, genau wie Los Angeles auch.
Welche Rolle haben Sie bei der Gründung von MTV gespielt?
Nun, ich hatte einfach ein Musik-Video produziert -zu einer Zeit, als es noch keine Musik-Videos gab. Das kann man den Nachgeborenen heute kaum noch erklären -als wolle man einem Fünfjährigen klarmachen, dass es tatsächlich ein Leben vor dem iPad gab. Ich machte also für einen Song namens „Rio“ ein Video und fragte mich:“Was stellst du denn jetzt damit an?“ Ich erklärte den Leuten, dass es sich um einen Promo-Film handele, der in Europa tatsächlich von den staatlichen Fernsehanstalten vorgestellt würde. Die Leute schauten mich an, als käme ich vom Mars. Aber dann kristallisierte sich langsam heraus, dass es wohl eine eigene künstlerische Disziplin sei -und immer mehr Leute fingen damit an, spontan ihre eigenen Videos zu drehen. Ich fragte mich aber noch immer:“Wo kann man diese Sachen bloß spielen? Was würde ich damit machen, wenn ich das Sagen hätte?“ Die Antwort war ganz einfach -man musste nur diese Gleichung vervollständigen: „Radio verhält sich zu Platten wie Fernsehen zu Video.““Natürlich!“, sagte ich mir – und so wurde MTV geboren. Ich stellte ein paar Programme zusammen und ging damit zu Warner Brothers. Und ehe man sich versah, war MTV auf Empfang.
Was halten Sie heute von MTV?
Um ehrlich zu sein, schaue ich schon lange nicht mehr zu. Lohnt es sich denn?
Nun, überwiegend sind es Reality-Shows über schwangere Teenager oder so was in der Art.
(Lacht) Oh. Nein, das war sicher nicht das, was wir uns damals vorgestellt haben.
Können Sie sich vorstellen, mit den Monkees auch noch einmal nach Europa zu kommen?
Ich hätte nichts dagegen. Wobei ich keine blasse Ahnung habe, ob es dort überhaupt einen Markt für uns gibt. Es hinge sicher auch davon ab, wie gut wir drei drauf sind.
Als ich mit Micky Dolenz sprach, erwähnte er auch, ein neues Album aufnehmen zu wollen.
Es ist eine seltsame Zeit im Musikgeschäft – und ich müsste mich erst mal mit der Frage beschäftigen, was man heute von einem Song erwartet, wie man ihn spielt, wie man das Team zusammenstellt, das derartige Sachen aufnehmen könnte. Popsongs heute sind anders als in den 60er-Jahren.
Glauben Sie denn, noch auf längere Sicht ein aktiver Monkee zu sein?
Ich bin nun mal fast schon auf der Zielgeraden. Die Frage ist also, wann ich den Hut abgebe. (Lacht) Eines Tages kommt sicher der Punkt, wo ich mir sage: „Hey, ich glaube, ich leg mich jetzt besser hin.“
Aber dafür gibt’s momentan noch keine Pläne?
Im Moment noch nicht. Jetzt werd ich mir erst mal eine Pizza bestellen.