„Ich habe viel trainiert“
ER LACHT VIEL. UND REDET VON DER RENTE. NATÜRLICH nicht, ohne dabei breit zu grinsen. Iggy Pop kommt mit der 1973er-Besetzung der Stooges und einem wuchtigen, düsteren Album zu einem Dutzend Konzerten nach Europa – auch Berlin und Wien stehen auf dem Tourplan. Ganz schön anstrengend, das alles.
Haben Sie sich körperlich auf die Tournee mit den Stooges vorbereitet?
Ja, aber da bin ich bestimmt der Einzige. (lacht) Ich habe mein normales Schwimm-und Tai-Chi-Pensum drei Wochen lang um etwa 50 Prozent raufgefahren. Außerdem habe ich meine Stimme trainiert, um höher zu kommen, denn die ist inzwischen ziemlich in den Keller gerutscht. Die hohen Töne haben noch nie meiner natürlichen Stimmlage entsprochen, aber diesmal musste ich wirklich ein paar Tage kreischen üben. (singt kreischend) Und ich hatte ganz vergessen, wie mühsam es ist, für ein Konzert die Texte der ganzen neuen Songs auswendig zu lernen. Diesmal umso mehr, weil James für gewöhnlich keine Strophen und Refrains komponiert, damit die Energie frei fließen kann; daher erinnern die Texte mehr an eine Rede oder einen Filmdialog.
Wer ist denn der Ernsthafteste und wer der Lustigste in der Band?
Der Ernsthafteste bin ich! Und der Lustigste ist definitiv unser Saxofonist Steve Mackay. Er ist wie die Karikatur eines finsteren, exzentrischen Jazzers. Er redet in einem fort, ohne zu wissen, was er da redet, aber er ist der sanftmütigste Mensch der Welt, ein echter Teddybär, der niemals wütend wird. Jedes Mal bevor wir auf die Bühne gehen, spielt er backstage zu unserer Entspannung eine Jazzmelodie. (imitiert perfekt mit dem Mund ein Saxofon) James Williamson ist ebenfalls eher ein ernster Mensch. Er konzentriert sich auf den Soundcheck und die Probe am Nachmittag, an der ich nie teilnehme, weil ich meine Parts genau kenne.
Schwelgen Sie gelegentlich in Erinnerungen an die Siebziger?
Schon, aber das endet jedes Mal damit, dass wir uns anbrüllen oder in die Haare kriegen. (lacht) Diese Zeit hat jeder anders erlebt oder erinnert sich anders daran, deswegen reden wir nicht viel darüber. Obwohl das alles noch in uns lebendig ist. Aber jetzt sind wir in der Gegenwart. Und ich schaue auf das, was vor mir liegt, und blicke nicht zurück. Wenn du als Rockmusiker ein bestimmtes Niveau erreicht hast, stellst du fest, dass du gar nicht mehr so viel mit den anderen reden musst, nur das Allernotwendigste. Das macht die Zusammenarbeit sehr viel leichter. Stattdessen habe ich gestern Abend heftig mit Robert Plant diskutiert.
Seit Ihrer Neuformierung 2003 haben die Stooges nur zwei Alben veröffentlicht. Warum?
Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir vermutlich keine einzige Platte aufgenommen, aber die anderen wollten unbedingt. Ich sehe das als Teil meines Jobs und als Respektsbekundung an die Band. Wenn ein Mitglied einen Song schreibt oder eine Platte machen will, muss ich eben als Sänger ran. Ich habe meinerseits so viele Soloalben aufgenommen, da war kaum noch Luft für mehr. (lacht) Zu jeder Stooges-Platte mussten mich Ron (Asheton -die Red.) und später James regelrecht drängen, nicht weil ich keine Lust dazu gehabt hätte, sondern weil ich viel lieber Konzerte spiele. Außerdem finde ich es besser, sich ein bisschen rar zu machen.
Wie haben Sie es geschafft, dass James Williamson seit 2012 wieder bei den Stooges ist?
Als Ron starb, hat uns das sehr getroffen, zum einen natürlich persönlich, aber auch in professioneller Hinsicht, weil etwa ein Dutzend Konzerte geplant waren. Also rief ich zwei Gitarristen an, von denen einer Rons sehr guter Freund Deniz Tek war. Ich kannte ihn, weil er in Australien eine Band (Radio Birdman -die Red.) hatte, die stark von den Stooges inspiriert war. Ich fragte ihn, ob er einspringen könnte, und er sagte ja. Anschließend rief ich James an und stellte ihm die gleiche Frage. Aber James sagte, er habe keine Zeit, stünde uns allerdings später gerne zur Verfügung. Letztendlich haben wir die Konzerte ausfallen lassen und ein Jahr pausiert. Irgendwann danach meldete sich James und ich hörte mir noch mal die alten Bootlegs der Stooges an und fand Gefallen an der Vorstellung, wieder mit Williamson auf der Bühne zu stehen.
James Williamson hat bereits in den Siebzigerjahren mehrere Ihrer Soloalben produziert, bis es bei der Produktion von „Soldier“ zum Krach kam. Warum haben Sie ihn „Ready To Die“ produzieren lassen?
Ich mag es ja schon nicht, produziert zu werden, aber James kann das gar nicht ausstehen! Das war der Hauptgrund. Er hätte sich nicht wohl gefühlt, wenn ein anderer diesen Job gemacht hätte. Wir waren uns auf Anhieb einig, dass James die Produktion übernehmen sollte, zumal ich nicht unbedingt der Typ bin, der stundenlang im Studio hockt und endlos über einen Basslauf diskutiert. (lacht)
Der Titel „Ready To Die“ klingt, als wäre es das letzte Album von Iggy &The Stooges.
Gut möglich. Ich habe da so eine Ahnung.
Und wann werden Sie in Rente gehen?
Ich glaube, ich trete ganz gemütlich ab. (lacht) Es kommt bestimmt nicht der Tag X, an dem ich mich in den Ruhestand verabschiede, aber überarbeiten will ich mich ganz bestimmt nicht!