„Ich habe schon mal eine Frau geschlagen!“ „Bushido!?“ „Aber ich hatte einen Grund.“
Obermacho gegen engagierte Rebellin: Als sich Rap-Superstar Bushido und Schauspielerin Sibel Kekilli auf unsere Einladung hin zum ersten Mal in ihrem Leben trafen, wurde es heiß und laut. Sie sprachen über muslimische Machos, Gewalt in Familien - und versprachen sich zum Schluss die Ehe. Zumindest fast.
Eine optische Täuschung – oder wurde Deutschlands grimmigster Rapper vor unseren Augen vom Gefühl überrumpelt? Die Wangen von Bushido leuchten jedenfalls in echtem Schulbuben-Rot, als er Sibel Kekilli die Hand gibt. Seit Fatih Akins „Gegen die Wand“ gilt die 29-jährige Deutschtürkin als eine der aufregendsten Schauspielerinnen des Landes, ab 11. März ist sie in „Die Fremde“ zu sehen, einem Drama über Ehrenmord und muslimisches Familienleben. Dass sie dem HipHop-Superstar beim ROLLING STONE-Termin im Bayerischen Hof in München zum ersten Mal überhaupt begegnet, muss Schicksal sein: Auch Bushido zieht nun mit seinem Autobiografie-Film „Zeiten ändern Dich“ in die Kinos ein. „Wenn ich eine richtige Frau treffe, bin ich nun mal nervös“, erklärt er die überraschende Schüchternheit. Kekilli antwortet: „Ach was, du bist einfach nur liebesbedürftig!“
Bushido, erst heute morgen war auf den News-Bildschirmen der Berliner U-Bahn Ihr Bekenntnis zu lesen: „Ich habe mit 700 Frauen geschlafen! „Korrekt gerechnet?
Bushido: Nun ja, das Zitat ist vier Jahre alt.
Sibel Kekilli: Und mittlerweile sind’s 1000?
Bushido: (schweigt und schaut ungerührt) Kekilli: Wie bitte? Das ist jetzt aber nicht dein Ernst!
Bushido: Doch, auf jeden Fall. Das ist ein Unterschied zwischen Ihnen: Bushido erzählt gerne aus seinem Intimleben. Sibel Kekilli beantwortet seit dem Presserummel, der beim Spielfilmdebüt „Gegen die Wand“ um ihre Vergangenheit als Pornodarstellerin entstand, praktisch keine privaten Fragen mehr.
Kekilli: Damals wurde in der Öffentlichkeit gegen meinen Willen viel über mich geredet. Einiges davon musste ich kommentieren, aber jetzt denke ich: Okav, es ist genug! Ich bin keine kaputte Schallplatte, die sich dauernd wiederholt. Das ist sechs Jahre her, es reicht jetzt. Lasst uns über meine Arbeit sprechen!
Können Sie es nachvollziehen, wenn einer wie Bushido ein ganzes Buch lang alles über sich offenbart?
Kekilli: So ist er halt. Er sagt, was er denkt, in seinen Texten und auch sonst. Wenn das seine Entscheidung ist und er glücklich damit ist, wunderbar! Aber wieso zählst du eigentlich die Frauen, mit denen du schläfst?
Bushido: Das war nicht gezählt, das war Pi mal Daumen.
Kekilli: Pi mal Daumen kommst du auf 700?
Bushido: Ich vögle seit 16 Jahren, da kommt schon was zusammen. Aber darum geht’s ja gar nicht. Ich bin nun mal ein Mann, ich kann mich breitbeinig hinsetzen und solche Geschichten erzählen. Du bist eine Frau, du musst ständig darauf achten: Wie rede ich? Wie setze ich mich hin, damit mir in der U-Bahn keiner unter den Rock schaut? Ich habe dir vorhin auch auf den Hintern geguckt, als du vor mir rausgelaufen bist.
Kekilli: Wenigstens gibst du’s zu…
Bushido: Dass ich ihr auf den Hintern gucke, heißt ja nicht, dass ich ein perverser, aufdringlicher Typ bin. Alle Männer machen das.
Zum Glück gibt es auch Dinge, die Sie verbinden: In der deutschen Öffentlichkeit werden Sie beide oft ins Klischeebild des Ausländerkindes gedrängt, das gegen Vorurteile kämpfen muss und zwischen den Kulturen steht.
Bushido: Ich hätte es eher andersrum gesehen. Nicht das Kopftuchmädchen und der Kanake, sondern: Wir haben es beide geschafft, in einem Land Erfolg zu haben, in dem wir fremd aussehen. Wir beide auf einem Foto, das ist natürlich erst mal nicht deutsch. Das könnte auch in der „Hürrivet“ stehen. Das ist eher „Rölling Stöne“.
Kekilli: Aber du bist ja kein Türke.
Bushido: Mein Stiefvater ist halb Türke, halb Kurde. Ich wurde auch in der Türkei beschnitten. Von einem Tierarzt, mit sechs Jahren. Das hat sich dann auch ganz böse entzündet…
Kekilli: Oooh, traumatisch! Bitte keine Details….
Bushido: Also noch ein Grund, warum ich so besonders viel Liebe brauche!
Frau Kekilli, Sie haben früher oft geseufzt, dass Sie vor allem Drehbücher bekommen, in denen Sie auf die Rolle der Deutsch-Türkin festgelegt werden. In Ihrem neuen Film „Die Fremde“ ist das auf den ersten Blick wieder so.
Kekilli: Ich habe nur gesagt, ich will nicht immer die Türkin in der Opferrolle sein. Und das bin ich in „Die Fremde“ ja nicht. Ich wäre ganz schön blöd gewesen, wenn ich so eine tolle Rolle abgelehnt hätte.
Bushido: Die Leute haben es ja schon oft versucht, sie zum Opfer zu machen, ihr eins auf den Deckel zu geben. Aus ähnlichen Gründen wie bei mir, auch das vereint uns. Als ich das damals über sie in der Zeitung las, hatte ich allergrößtes Mitleid, obwohl ich sie nicht kannte. „Jetzt aber viel Spaß, Sibel!“ dachte ich mir.
Frau Kekilli, haben Sie je um Ihr Leben gefürchtet, wie die Hauptfigur in „Die Fremde“?
Kekilli: Als „Gegen die Wand“ rauskam, schlug dem ganzen Team viel Negativität entgegen. Und als ich 2006 bei einer „Hürriyet“-Veranstaltung eine Rede über häusliche Gewalt in muslimischen Familien hielt, gab es Zwischenrufe wie „Du solltest dich schämen!“. Der türkische Botschafter stand auf und verließ den Saal. Aber wenn man eine Meinung hat, polarisiert man eben.
Wie haben Sie denn Bushidos Differenzen mit Presse und Öffentlichkeit gesehen?
Kekilli: Wir haben etwas gemeinsam: Er hat sich nie verbiegen lassen. Wir haben uns nicht zu Opfern machen lassen, sind beide unseren Weg gegangen. Vor Bushido war es für Deutsch-Ausländer schwierig, in der Musikbranche Fuß zu fassen. Er hat es geschafft, mit deutschen Texten. An den Texten haben viele Anstoß genommen. Da ging es manchmal auf eine Art um Gewalt gegen Frauen, die man etwas zweifelhaft finden kann.
Bushido: Welcher Text soll das sein?
Einer der am häufigsten zitierten ist „Mit der Rechten werdich wichsen, mit der Linken dich schlagen“.
Bushido: Das stammt übrigens von 1999! Aber ich sage es ganz ehrlich, ich habe schon mal eine Frau geschlagen.
Kekilli: Bushido!
Bushido: Aber ich hatte einen Grund.
Kekilli: Es gibt keinen Grund, eine Frau zu schlagen!
Bushido: Pass mal auf: Es ist doch ein Unterschied, ob einer seine Ehefrau zu Hause jeden Tag kaputtschlägt. Das macht man nicht, Punkt. Aber wenn ich in einer Disco bin und eine Frau kommt zu mir und sagt: „Pass mal auf, du Hurensohn…“ – dann hau ich ihr auf die Fresse.
Kekilli: Aber das hätte doch gerade Größe, sie nicht zu schlagen!
Bushido: Ich habe in dem Moment aber keine Größe. Aber wenn eine Frau sich wie eine Frau verhält, dann darf ich sie nicht schlagen, da hast du recht.
Kekilli: Aber was heißt denn das, „sich wie eine Frau verhalten“?
Bushido: Sie darf mich nicht Hurensohn nennen! Das machen vielleicht Typen, und dann kriegt der Typ eben auf die Fresse. Ich habe ihr übrigens nur eine Schelle gegeben…
Kekilli: Aber du solltest so etwas in der Öffentlichkeit nicht sagen! Und es vor allem nicht tun. Viele pubertierende Jungs da draußen denken doch nicht nach und sagen: „Ey, wenn Bushido das macht, dann mache ich das auch.“ Ich finde es super, dass du so offen über alles sprichst. Aber du bist nun mal ein Vorbild!
Bushido: Du hast vollkommen recht. Natürlich sind solche Sachen nicht okay, ich bin auch nicht stolz drauf. Nichtsdestotrotz habe ich in manchen Situationen nun mal so reagiert, wie ich reagiert habe. Heute, mit 31, wäre das völlig undenkbar für mich. Wenn meine Freunde und ich sehen, wie einer nachts auf der Straße seine Freundin schlägt, dann gehen wir hin und hauen den kaputt.
Bushido, viele Menschen können schlecht zwischen der Bühnenfigur und Ihrem wahren Charakter unterscheiden. Wie reagieren Sie, wenn die sagen: “ Wir haben deine Platten gehört, du bist ja ein alter Macho“?
Bushido: Das ist gerade das Lustige, ich bin ja auch ein Macho! Oft sagen Leute zu mir: „Mensch, du bist ja gar nicht so wie in deinen Songs!“ Dann antworte ich: „Doch, so bin ich auch!“ Wenn nach dem Konzert vier Mädchen am Tourbus warten und mit mir vögeln wollen, dann sind das für mich Objekte! Das heißt ja nicht, dass ich zu Sibel nicht höflich sein kann. Das Macho-Ding hat an diesem Tisch nichts verloren. Außer sie macht jetzt die Bluse auf und holt ihre Brüste raus – das wäre etwas völlig anderes.
Kekilli: In meiner Arbeit für „Terre des Femmes“ bekomme ich teilweise mit, wie siebenjährige Jungs aus muslimischen Familien ihren 17-jährigen Schwestern sagen, wann sie zu Hause sein müssen! Man sollte ja glauben, dass das Paschatum von Generation zu Generation schwächer wird, aber zum Beispiel bei den deutschen Türken scheint es oft genau andersrum zu sein: Die Vätergeneration ist wertemäßig besser integriert als die Söhne. Viele von denen sind lost in Space, gehören nirgendwo richtig hin. Gerade weil sie viel weniger um Akzeptanz kämpfen müssen als ihre Väter.
Bushido, war Ihre Erziehung denn muslimisch geprägt?
Bushido: Meine Mutter ist mit 18 zum Islam konvertiert, als sie meinen Vater kennenlernte, der aus Tunesien kam. Weil sich meine Eltern früh trennten, bin ich zwar muslimisch erzogen worden, aber eben von einer liebevollen Mutter und ohne diesen väterlichen Druck. Von meinem Stiefvater habe ich trotzdem auf die Fresse bekommen. Ich weiß, dass er mich nicht zum Spaß geschlagen hat, aber ich dachte damals vor allem: Hauptsache, er tut meiner Mutter nichts.
Kekilli: Das wird oft vergessen, wenn man das Leid der unterdrückten Mädchen betrachtet: Auch Brüder kriegen in solchen Familien ein Problem, wenn sie sich vor ihre Schwester stellen und sagen: Soll sie doch leben, wie sie will! Nicht alle Jungs spazieren nach dem Ehrenmordprozess lächelnd aus dem Gerichtssaal.
Bushido: Aber mit Religion hat das alles nichts zu tun. Ich kenne auch viele Väter aus deutschen, christlichen Familien, die ihre Kinder auf die Fresse hauen, wenn sie zu spät zum Essen kommen. Im muslimischen Familien wird der Koran oft falsch verstanden und missbraucht. Gott verbietet dir, deine Frau zu schlagen.
Kekilli: Wenn ein Ehrenmord geschieht oder es Anschläge auf einen Karikaturisten gibt, dann würde ich mir so sehr wünschen, dass Moslems auf die Straße rausgehen und deutlich sagen: Leute, das hat mit unserer Religion nichts zu tun! Wir verachten das! Aber das macht fast keiner.
Wer wenig Ahnung vom Islam hat, versteht auch nicht, was überhaupt mit dem Begriff Ehre gemeint ist. Können Sie uns das sagen?
Kekilli: Das ist ja das Problem: Ich habe das Gefühl, dass keiner das wirklich weiß. Genau die Leute, die behaupten: „Ich habe meine Ehre gerettet, indem ich meine Tochter verstoßen habe“, die sollte man fragen: Was ist denn da bitte gerettet worden?
Was vermuten Sie?
Kekilli: Ich glaube, in diesem Zusammenhang bedeutet Ehre nur, die Kontrolle über die Frauen zu behalten.
Bushido, was heißt Ehre für Sie?
Bushido: Ehre und Stolz sind für mich das A und O. Ehre heißt für mich, als Mann durchs Leben zu schreiten.
Kekilli: Aber was heißt das? Ich möchte das bitte endlich verstehen.
Bushido: Schwierige Frage. Das kann vieles heißen. Es geht um Gefühle, um den eigentlichen Antrieb im Leben. Ich will zum Beispiel, dass meine Mutter stolz auf mich ist.
Kekilli: Das verstehe ich auch nicht: Wieso haben so viele südländische Männer so wahnsinnig viel Respekt vor ihrer Mutter, beschützen sie über alles, schlagen andere tot, wenn die sagen: „Ey, deine Mutter, Alter…“ – und dann schlagen sie andere Frauen! Verstehe ich nicht!
Bushido: Boah, wenn ich mich dieser Frage stellen würde, würde ich wohl verrückt werden. Die sind bescheuert, ganz einfach. Die sind nicht stolz, die haben keine Ehre.
Kekilli: Danke, es ist gut und wichtig, dass du das sagst!
Bushido: Das ist genau wie mit der Tatsache, dass meine Mutter mir damals Geld zum Drogenkaufen gegeben hat. Die Geschichte finden vielleicht alle süß und lustig – aber im Grunde ist das genau so wenig okay, wie wenn ich erzähle, dass ich mal einer Frau eine Schelle gegeben habe.
Nochmal kurz zu den Filmen. Frau Kekilli, was kann „Die Fremde“ im besten Fall bewirken?
Kekilli: Dass wir endlich anfangen, ohne Angst über die Probleme dieser Familien zu reden, die zwischen Tradition und modernem Leben hin- und hergerissen sind. Und dass die Deutschen nicht immer gleich mit dem Finger auf die bösen muslimischen Männer zeigen. Trotzdem sollte der Film absolut klarstellen, dass wir nicht alles tolerieren dürfen. Solange die Betroffenen nicht miteinander sprechen und jede Kritik als persönlichen Angriff verstehen, gibt es noch viel zu tun.
Bushido, könnte Ihr Film „Zeiten ändern Dich“ mehr für die Gesellschaft tun, als Ihre Popularität zu erhöhen?
Bushido: Absolut. Es geht mir nicht darum, mich selbst zu glorifizieren. Thema des Films ist, wie man unter schwierigsten Voraussetzungen vorankommt. Ein Junge findet sich in einer zerrissenen Familie plötzlich als männliches Oberhaupt wieder und versucht, damit klarkommen. Wenn man das ganze Leben lang das Gefühl hat, mit dem Kopf kurz unter der Wasseroberfläche zu sein, muss man nach oben. Weil man sonst ertrinkt.
Kekilli: Nie aufgeben, immer kämpfen. Darum geht es in meinem Film ja auch.
Nehmen wir mal an, Frau Kekilli, auch Sie würden demnächst Ihr Leben verfilmen. Wie würde da wohl die Schlussszene aussehen?
Kekilli: Sehr unwahrscheinlich, dass es einen solchen Film geben wird…
Bushido: Du stehst zu Hause am Herd und kochst.
Kekilli: Aha, dein Film über mich würde so enden? (lacht) Nein, ich glaube, ich wäre am Ende immer noch auf der Suche.
Bushido: So ein Quatsch. Du hast nur noch nicht den richtigen Mann gefunden!
Kekilli: Kommt jetzt etwa ein Heiratsantrag? Genau, das ist die Idee! Ich heirate Bushido! So endet der Film.
Bushido: Wie ich gesagt habe: Sie steht am Herd, im anderen Zimmer hört man fünf Kinder schreien. Und plötzlich sieht man, wie zwei Hände sie von hinten um die Hüfte fassen. Und die eine Hand ist tätowiert.
Kekilli: Das ist cool! Oder andersrum: Bushido steht am Herd, und ich komme von hinten.
Bushido: Okav. Ausnahmsweise.