„Ich fühle mich sehr erwachsen“
ALS MIKE ROSENBERG, LANGE bevor er zum Chartswunder Passenger wurde, mit 16 die Schule in Brighton abbrach, um sich ganz der Musik zu widmen, rechnete er vermutlich nicht damit, dass er die nächsten Jahre erst mal als Straßenmusiker durch England und Australien tingeln würde. Doch nachdem sein Kumpel Ed Sheeran ihn voriges Jahr mit auf Tour genommen hatte, kletterte Rosenbergs Trennungsballade „Let Her Go“ in 16 Ländern auf Platz eins der Charts und fuhr auf YouTube über 177 Millionen Klicks ein. „Das Ganze war eine gigantische, wundervolle Überraschung“, sagt der 29-Jährige. „Ich glaube nicht, dass ich irgendwann noch mal einen ähnlich erfolgreichen Song schreiben werde. Schließlich habe ich schon jetzt mehr erreicht, als ich je für möglich gehalten hätte.“
Ihre eigentümliche Singstimme polarisiert. Was war der fieseste Kommentar, mit dem Sie je bedacht wurden?
Irgendjemand hat mal gesagt, ich würde klingen wie ein 14-jähriges Emo-Mädchen. Und auf YouTube meinte jemand: „Tolle Idee, den Sound von Cat Stevens zu kopieren, der war immerhin Terrorist.“ Ganz schön bizarr.
Ebenfalls auf YouTube hieß es, Sie klängen wie ein Hobbit.
Na, so was!(lacht) Aber ich finde, das ist geradezu ein Kompliment. Immerhin haben auch Leute wie Neil Young und David Bowie eine ziemlich sonderbare Stimme.
Wie ist „Let Her Go“ entstanden?
Ich hatte gerade eine sehr schmerzhafte Trennung nach einer langen Beziehung hinter mir. Damals war ich auf Tour, und da ist man oft ziemlich einsam. Einmal bin ich als Support-Act für eine andere Band in einer australischen Studentenkneipe aufgetreten, und das Publikum hat die ganze Zeit gequatscht. Als ich hinterher backstage herumsaß, brach dieser Song praktisch aus mir hervor. Erst dachte ich, das wäre bloß wieder so ein deprimierendes Lied über meine Ex-Freundin. Ich hätte nie gedacht, dass daraus so ein gigantischer Welterfolg werden würde.
Haben Sie was von Ihrer Freundin gehört, seit der Song ein Hit wurde?
Wir sind mittlerweile gute Freunde. Gerade neulich haben wir uns über das Thema unterhalten. Ich glaube, sie sieht das immer noch mit gemischten Gefühlen. Einerseits freut sie sich für mich, aber sie findet das Ganze schon etwas befremdlich.
Was für Songs haben Sie gespielt, als Sie als Straßenmusiker unterwegs waren?
Meistens spiele ich eine Mischung aus meinen eigenen Kompositionen und Coverversionen, wobei die Palette von Paul Simon bis zu Britney Spears reicht. Ich habe mal „Toxic“ gecovert, aber das ging unter wie Blei. Durch das Musizieren auf der Straße habe ich jedenfalls in jeder Hinsicht viel gelernt. Und man glaubt gar nicht, wie viele Leute einem Straßenmusiker die unglaublichsten persönlichen Geschichten erzählen. Die benutze ich dann häufig als Material für meine Songs.
Sind Sie in letzter Zeit mal wieder als Straßenmusiker aufgetreten?
Ja, in Dublin. Da kamen mehr als 1.000 Leute – „Let Her Go“ war 2013 in Irland schließlich einer der Songs des Jahres. Die Leute kletterten auf die Straßenlaternen und hängten sich aus den Fenstern. Es war total irre.
Sie sind mit Ed Sheeran befreundet.
Ich habe ihn in einem Pub in Cambridge kennengelernt, als er 15 war. Er ist einer der ehrgeizigsten Menschen, die ich kenne. Ich glaube, irgendwann wird er die Macht über die ganze Welt an sich reißen. Wir sind richtig gute Freunde geworden. Verglichen mit Ed bin ich fast schon ein alter Mann -wenn wir zusammen auf Tour sind, legt er beim Feiern ein bisschen mehr Ausdauer an den Tag als ich.
In dem Song „Hate“ ziehen Sie gegen alles und jeden vom Leder, angefangen von „The X Factor“ bis hin zu Cher. Über Letztere heißt es sogar, ihr Gesicht „looks like it’s been hit by a truck“. Was hat Sie denn da geritten?
Eigentlich war das nur ein harmloser Joke. Ich habe den Song in einem stickigen Bus in Australien geschrieben, um mich herum schreiende Babys, Lärm und eine Höllenhitze. Aber es gab Leute, die mir diese Zeile echt übel genommen haben. Dabei habe ich absolut nichts gegen Cher, im Gegenteil. Ich fand es einfach bloß lustig!
Schrammelgitarren-Acts wie Sie, Ed Sheeran, Mumfod &Sons und die Lumineers erleben gerade einen grandiosen Höhenflug. Wieso, glauben Sie, ist dieser Sound wieder in Mode gekommen?
Ich glaube, die Leute haben dieses schwachbrüstige, artifizielle Zeug einfach satt. Das geht einem irgendwann auf den Geist.
Leisten Sie sich heute einen extravaganteren Lebensstil als früher?
In den letzten fünf Jahren habe ich, wenn ich nicht unterwegs war, bei meinen Eltern gewohnt. Mit 29 Jahren kann einem das ganz schön auf die Nerven gehen. Also habe ich mir vor Kurzem eine kleine Wohnung in Brighton gekauft. Ein tolles Gefühl. Ich komme mir gerade sehr erwachsen vor.