Willander sieht fern
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Arne Willander schaut fernKolumne

‚Ich bin ein Star, holt mich hier raus!‘: Sara triumphiert bei der Prüfung, Walter flippt aus. Dschungelcamp, Tag drei

Walters Wutreden: Sara meistert ihre Dschungelprüfung, während Walter vollkommen durchdreht und Angelina nominiert wird

Früher hätte man gesagt: Das Dschungelcamp ist auch ein Erziehungsroman – und wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Man kann aber auch „Fuck!“ und „Verfickte Scheiße!“ rufen, wie Sara Kulka es tut, als Kakerlaken, Mehlwürmer und Maden auf sie fallen, während sie auf den Kopf gestellt wird und mit zarten Händen Styroporkästchen aufdrehen muss. In diesem Ausnahmezustand der menschlichen Existenz bewährt sich die vorher wehleidige Kandidatin unter Fluchen und Schimpfen und erringt sieben Sterne – es ist eine Befreiung, eine Erweckung, an der sogar Sonja Zietlow und Daniel Hartwich euphorisiert teilnehmen. Freudianisch ruft Sara nach tumultös bestandenener Prüfung nach Dr. Bob, um ihm Vollzug zu melden: „Ich hab‘s geschafft!“ Ein weiterer Auftritt des Arztes war womöglich nicht vorgesehen, doch Dr. Bob erscheint mit den Wildhütern, die Sara aus der Kapsel befreien, und rät ihr zum Hüpfen, damit das Ungeziefer von ihr abfällt – er ist sichtlich gerührt von der väterlichen Verantwortung, die ihm angetragen wird.

Während das Entlein also zum Schwan geworden ist, den Triumph am Lagerfeuer auskostet („Ich hab‘ einen Stern!“) und die apathische Gruppe aufschreckt, zeigt sich Walter als entfesselter Soziopath, der in der Kamerahütte Tabula rasa macht und seine Leidensgeschichte erzählt – inklusive Verschwörungstheorien, Verfolgungswahn, Bramarbasieren, Verbitterung und Anklagen. RTL (das Walter in seiner Vorstellung aufgebaut hat) kommt in der Suada ebenso vor wie Harry Wijnvoord („Harry hat Angst“), der ihm immer „die Wurst vom Brot nehmen“ wollte und womöglich Journalisten schmiere, und ein Fotograf, der Walter Freiwald schon vor 20 Jahren bei „Der Preis ist heiß“ ignoriert – und ihn nun, beim Fototermin in Australien, wieder verschmäht habe! „Bild“, so Walter, sei nie an ihm interessiert gewesen – und jetzt, da er interessant sei, erscheine er auf der „Negativ-Seite“! Können das Zufälle sein? „Irgendwas stimmt da nicht.“

Nach diesem wahrhaft bestürzenden Ausbruch wiederholt der Besessene den Schwall vor den schläfrigen Campern – Aurelio wie gelähmt, Benjamin schon weggedämmert. Dass er sich außerdem gegen die Moderatoren Sonja und Daniel wendet („Wenn die mich anpissen, pisse ich sie auch an!“), bringt Rolfe – der sich auf seine Brille gesetzt hat, woraufhin der Bügel brach – gegen ihn auf. Dass Daniel mehrfach scharf auf Walters Einlassungen reagiert, zerstört die Routine von Spott und Freundlichkeit: Der Kandidat hat die Spielregeln aufgekündigt. Weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht für Prüfungen nominiert werden darf, kann sein Gebaren nicht sanktioniert werden – Sonja und Daniel kommentieren den misslichen Umstand säuerlich.

Der Rächer in eigener Sache demontiert sich zwar selbst – aber er reißt das Unternehmen Dschungel mit. Beichte und Offenbarungseid gehörten immer zum Inventar der Sendung (Brigitte Nielsen!), doch niemals wurde der Sender selbst zum Gegenstand der Abrechnung. Walters wilder Ritt erinnert an den Amoklauf des Nachrichtenmoderators in Sidney Lumets Film „Network“, der seinen Abgang inszenierte („Ihr könnt mich alle am Arsch lecken!“) – ein bizarres Spektakel, das durch die Live-Übertragung zum Fanal wird.

Auch als Psychologe und Coach („Ich kann das, ja“) sieht sich Walter gefordert und exerziert mit Sara die sogenannte Schlürf-Atmung zur Beruhigung, von Rebecca fassungslos beobachtet. Vor Saras Prüfung gibt Tanja ebenfalls Ratschläge – sie habe nämlich, was viele nicht wissen, „Bücher wie von Dr. Freud“ gelesen! Sara ist nach bestandenener Herausforderung der Darling des Camps, während Angelina falsch vermutet, dass die Konkurrentin noch einmal für eine Prüfung ausgewählt werde – statt dessen wird sie selbst nominiert: Allzu spürbar ist ihre Furcht, dass die Frisur in Unordnung geraten könnte. Und dass sie noch keinen einzigen Beitrag geleistet hat, ist den Zuschauern nicht verborgen geblieben. Maren kocht die Bohnen, Walter hat (als einziger) Durchfall: Patricia bemerkt richtig, dass der Nörgler alle Gebrechen der Welt auf sich vereint. Phänotypisch gemahnt Walter an ein Hybrid aus Gollum und E.T. – doch will er nach Hause? Die Zuschauer werden ihn nicht so bald gehen lassen.

Aber das Endspiel hat begonnen.

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