‚I Love The Smell Of Napalm In The Morning‘: John Milius, der Outlaw des New Hollywood, wird 70
Mit seiner Vorliebe für Gewehre machte er in den Siebzigern Steven Spielberg Angst. Nebenbei drehte er Klassiker wie „Conan“ und schrieb einen der berühmtesten Monologe des Horrorkinos. John Milius, einer der letzten Außenseiter Hollywoods, wird 70.
Wer Steven Spielbergs „Jaws “ die ersten ein, zwei Male sieht, konzentriert sich vor allem auf den mechanischen Hai, und wie gut er gelungen ist. In die Horrorgeschichte eingegangen ist der Film aber auch wegen eines Monologs, den der Jäger Quint (Robert Shaw) hält: die auf einer wahren Begebenheit beruhende Schilderung vom Untergang des Kriegsschiffs U.S.S. Indianapolis, den im Zweiten Weltkrieg ein Torpedo der Japaner versenkt. Im Hai-verseuchten Wasser erwischt es einen Marine nach dem anderen, die Rettung kam erst nach Tagen: „On Thursday mornin‘ I bumped into a friend of mine. Baseball player. I thought he was asleep, reached over to wake him up. Bobbed up and down in the water, just like a kinda top. Up ended. Well… he’d been bitten in half below the waist.“
Autor des berühmten „Quint’s Speech“ war der damals 31-jährige John Milius. Heute spielt der Mann aus Missouri, der seinen 70. Geburtstag feiert und als Sohn eines Schuhmachers zur Welt kam, im Filmgeschäft keine Rolle mehr. Als Script Doctor von Spielbergs erstem Blockbuster stand er 1975 jedoch vor einer großen Karriere. Lange schon war Milius Mitglied jener Riege junger Filmemacher, die zum „New Hollywood“ gezählt werden: Scorsese, Coppola, Spielberg, Bogdanovich, George Lucas. Sie setzten neue Erzählstrukturen durch, ihre Geschichten waren realistischer, gewalttätiger, erotischer als alles zuvor, der Zwang zum Happy End wurde aufgehoben. Viele der Regisseure sicherten sich, oft durch Tricksereien, gegenüber den alten Mogulen Hollywoods ihr Recht auf den Final Cut, den Endschnitt ihrer Werke. Ins Kino kamen so die Visionen junger Leute.
Steven Spielberg sagte über John Milius: „Er ist unser Scout. Derjenige der uns sagt: Nimm’ nur genug Essen und Wasser für einen Tag mit, aber bleib’ dann länger draußen. Sei ein Mann.“ Vor ihm hatten die Kollegen stets etwas Angst, auch wegen seiner Vorliebe für Schusswaffen, die er stets bei sich trug. Heute bezeichnet Milius sich politisch als streng konservativ, ist in der Führungsriege der National Rifle Association und berät das Militär.
„Wegen meiner politischen Ansichten wurde ich zum Außenseiter in Hollywood“, sagte er einst. Vielleicht ist es ihm deshalb nie gelungen, in die oberste Liga Hollywoods aufzusteigen. Dabei stammten von Milius nicht nur die Drehbücher der ersten beiden „Dirty Harry“-Filme sowie von „Apocalypse Now“, er führte auch Regie bei drei Genre-Klassikern: Sein Debüt als Filmemacher war die Abenteuergeschichte „The Wind and The Lion“ (1975) mit Sean Connery als marokkanischer Berberfürst, der nach der Entführung einer Amerikanerin ins Visier der US-Außenpolitik gerät. Mit „Big Wednesday“ (1978) illustrierte Milius das Milieu um kalifornischer Surfer, deren Leben einen Schatten durch den drohenden Einzug zum Vietnamkrieg bekommt. Sein bester Film, „Conan The Barbarian“ (1982) mit Arnold Schwarzenegger in seiner ersten großen Rolle, war als Action- und Ausstattungsfilm maßgeblich für die Achtziger, und er ist bis heute eines der religionskritischsten Werke, die man vom Sandalen-Kino erwarten konnte.
Es war bittere Ironie, dass ausgerechnet der ambitionierteste Militärfilm zum Untergang des Waffenfetischisten führte: Milius’ erster Flop war der Kriegsstreifen „Red Dawn“ (1984), der den Widerstand von Highschool-Kids gegen die Invasion der USA durch die Rote Armee erzählt. War leider auch so schlecht, wie es sich hier liest. Danach hat Hollywood ihm bis heute keine großen Stoffe mehr anvertraut.
Aber wenn man heute auf Partys mit Filmzitaten bombardiert wird, ist die Wahrscheinlichkeit noch immer hoch, dass mindestens einer von Milius dabei ist: „I love the smell of napalm in the morning“ („Apocalypse Now“) oder das Motto von Dirty Harry: Go ahead, make my Day.“