„I Can’t Give Everything Away“: Warum einem David Bowies letzter Song Trost bietet
David Bowie hat sich mit "Blackstar" von uns verabschiedet. Summend und pfeifend, vielleicht gar nicht mal so traurig.
„Seeing more and feeling less /Saying no but meaning yes / This is all I ever meant / That’s the message that I sent“ – so lautet eine Zeile im – hört man das finale Werk „Blackstar“ chronologisch durch – letzten Song David Bowies, „I Can’t Give Everything Away“.
Nein sagen, ja meinen. Mehr sehen, weniger fühlen. David Bowie war ein Künstler, der seine Hörer herausforderte wie sonst kaum einer. Auch das steckt in dieser Zeile, die ihn als schwierigen, aber kommunikativen Menschen darstellt.
Vor allem dürfte „I Can’t Give Everything Away“ all jenen Fans und Kritikern gefallen, die auch die neuen Stücke des am Sonntag im Alter von 69 Jahren verstorbenen Musikers auf Verweise zur monumentalen Discographie abklopfen. Und in diesem Lied hören wir die Mundharmonika, die wir über die Jahre so lieben gelernt haben. In einem Song aus dem Album „Low“ von 1977 hören wir fast dieselbe Melodie, der Song: „A New Career In A New Town“.
Was für ein Titel: „A New Career In A New Town“. Was Bowie, der 1977 längst ein Star war, aber aus Los Angeles unbedingt flüchten wollte, uns damals sagen wollte, ist klar. Der Umzug nach Europa sollte ihn von der Kokainsucht befreien, Berlin schien ihm dafür der geeignete Ort zu sein. Das Stück ist ein Instrumental, der Sänger musste hier auch nichts erklären, die wie Miyazaki-Roboter klingende, pfeifende, trötende und rumpelnde Begleitband spielte dazu das beschwingteste Lied auf der ganzen Platte. Die Maschine pfiff. Bowie sah mit Freuden in die Zukunft.
Und vielleicht war Bowie auch zuversichtlich, was das Morgen in „I Can’t Give Everything Away“ angeht – wo immer er nach seinem Ableben sein würde. Seine hinterbliebene Ehefrau Iman zitierte auf Instagram den Musiker mit den Worten: „ I Don’t Know Where I’m Going From Here, But I Promise It Won’t Be Boring.“
Und im Albumtrack „Lazarus“, benannt nach der biblischen Figur, die Jesus von den Toten auferstehen lässt, singt Bowie: „Look Up here, I’m In Heaven“ und „You know, I’ll be free /Just like that bluebird / Now ain’t that just like me“. Es wäre ein Fehler, „Blackstar“ als düsteres Album abzutun, nur weil die Ästhetik so dunkel ist, und Bowie in fast jedem der sieben Lieder von Tod singt, Kontrollverlust und Trennung. Seine letzte Mail an Brian Eno, verschickt vor einer Woche, zierte das Schlusswort „dawn“ – „Morgendämmerung.
Auch Bowies vorletztes Werk, „The Next Day“ von 2013, erzählte viel vom Sterben („You Feel So Lonely You Could Die“), auch vom Krieg („I’d Rather be High“) und letzten Fluchtreserven („The Next Day“). Von einer Krebserkrankung soll da aber noch nichts bekannt gewesen sein.
Die schönste Zeile aber hatte damals der CD-Bonustrack „I’ll Take You There“: „I don’t need to know / Know where you are / Only that you are / Safe in this world / Then I’ll be content / Get on with my life / Eat, drink and sleep / Look up at the stars“
David Bowie machte sich Sorgen um unser Wohlergehen? Dann müssen wir uns um ihn nicht mehr sorgen, wo auch immer er nun ist.