Humor wider Korrektheit

Big S spricht mit ihrer Mose, leckt den Hintern ihres Hundes, sucht Anschluss bei Aidskranken, Abtreibungsgegnern. Lesben und Schwarzen, findet ihn aber nirgendwo. Was nicht so schlimm ist, denn ihr Ex-Lover ist der liebe Gott, ein Nichtsnutz zwar, aber angesehen genug, um an seiner Seite beim ritualisierten Renommier-Defilee eines Klassentreffens ein paar Pünktchen sammeln zu können. Big S ist Sarah Silverman, Amerikas attraktivste, brillanteste, umstrittenste und komischste Komikerin. Zu bewundern im Nachtprogramm von „Comedy Central“, synchronisiert leider, doch strapaziert die bizarre Verhohnepiepelung politischer Korrektheiten sogar in verharmlosender Eindeutschung noch das Zwerchfell. Derzeit pausiert „The Sarah Silverman Program“, doch bald schon darf die komplexbeladene jüdische Prinzessin wieder polarisieren.

Inzwischen wird man mit den anderen Programmangeboten des vor 20 Jahren in den USA von Viacom gestarteten und seit 2007 auch hierzulande eingespeisten Kabel- und Satellitensenders vorlieb nehmen müssen. Es ist eine kunterbunte Palette aus Witz und Wahnwitz, aus Blödelei und Pöbelei, aus schenkelklatschendem Bierzelthumor und veritabler Selbstverstümmelung, die dem deutschen TV-Glotzer als lustig und unterhaltsam angedient wird. Wobei die einheimischen Produktionen, wen wundert’s, durchweg wehtun. Wie schlicht muss man gestrickt sein, um über Mundstuhl oder Badesalz lachen zu können, wie frühpubertär, um bei „Rent a Pocher“ keine Pickel zu kriegen?

Doch nicht alle US-Serien heben sich davon so wohltuend ab wie Jon Stewarts „The Daily Show“ zwischen vitriolischer Politsatire und Dadakasperei. Die listige Verhöhnung akademischer Hohlheit in „Frasier“ und die kaum weniger amokdialogischen Hanswurstiaden beziehungsunfähiger New Yorker in „Seinfeld“ sind immerhin kurzweilig. Um die amourös-geriatrischen Abenteuer der ewig hormongesteuerten „Golden Girls“ oder das neurotische Sexualpartnerwechseidichspiel „The New Adventures Of Old Christine“ goutieren zu können, muss man schon völlig vereinsamt sein und mit dem Leben abgeschlossen haben. Wie die notorisch nestbeschmutzenden Freaks in der pittoresken UK-Comedy „Linie Britain“, deren Wohl und Wehe an einem sehr dünnen, oft nur notdürftig geflickten Faden der Vernunft hängt. Oder die australischen Python-Plagiatoren von „Comedy Inc.“. Oder die kanadischen Jackass-Adepten von „Kenny vs. Spenny“, die einander traktieren und malträtieren, bis einer aufgibt. Zum Totlachen. Das gilt auch für die beiden Clowns in „Testees“, die sich an die Pharmaindustrie verdingen und ihre Entstellungen parodieren. Da wachsen Hängetitten, Schniedel schrumpfen, eine Vagina tut sich auf. Lachen ist gesund.

Wogegen wenig einzuwenden ist, sind die Cartoons auf „Comedy Central“, wiewohl alles andere als irgendwie drollig oder gar kindergerecht, in der Übersetzung gehen viele Anzüglichkeiten und Affronts verloren, doch was von „South Park“ selbst nach dem Sprachtransfer noch bleibt, ist von einer Unverblümtheit und Schärfe, die jede Sitcom in den Schatten stellt. Diese Kids in ihrem Nest in Colorado haben die ganze Welt im Sack, Warzen inbegriffen. „Family Guy“, zwischenzeitlich eingestellt und nicht nur back by populär demand, sondern in der Sparte Comedy für den Emmy nominiert, hält mit haarigem bis zotigem Humor dagegen. Die Griffins leben mit ihrem Martini-schlürfenden Hund Brian im beschaulichen New England, Vater Peter ist ein noch haltloserer Homer Simpson, Mutter Lois wäre toter als Kenny, würden Baby Stewies zynische Mordpläne funktionieren, und was in den Köpfen von Sohn Chris und Tochter Meg herumspukt, kann es in Sachen surrealer Überspanntheit locker mit Kyle oder Cartman aufnehmen.

Kein Wunder also, dass sich die natürliche Rivalität zwischen „South Park“ und „Family Guy“ längst zu einer Fehde hochgejazzt hat, und dass die Macher der beiden Provo-Animationen einander spinnefeind sind. Matt Stone und Trey Parker, die Schöpfer von „South Park“, lassen kaum eine Gelegenheit aus, sich abschätzig über den „derivative humour“ der respektosen Konkurrenz zu äußern, in Interviews wie auch in „South Park“-Episoden: „Compare me to .Family Guy‘ again“, zischt Cartman seinen Freund Kyle an, „and I will kill you where you stand.“ Seth MacFarlane, Macher von „Family Guy“ und eigentlicher Adressat solcher Tiraden, reagiert indes auch nicht zimperlich, wenn seine Show angegangen wird. Nach einer vernichtenden Kritik in „Entertainment Weekly“ benutzt Peter das Blatt als Klopapier, und Stewie bricht einem Reporter des Blattes das Genick.

Das alles läuft auf „Comedy Central“, wo mit harten Bandagen um Lacher gekämpft wird, weil ja Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Tabus seien schließlich dazu da, so die Philosophie des Senders, gebrochen zu werden. Nicht alle freilich. Aissich „South Park“ in zwei Folgen mit den dänischen Karikaturisten wider den islamistischen Mob solidarisierte und ein Bild Mohammeds zeigte, wurde das vor der Ausstrahlung entfernt. Irgendwo hört er halt auf, der Humor.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates