Hüsker Dü – „Land Speed Record“
Es ist das beste Cover, das eine Hardcore-Platte damals haben konnte: Die Särge der ersten in Vietnam getöteten amerikanischen Soldaten, bedeckt mit den Stars & Stripes, vorn dran baumeln noch die Ehrenmedaillen wie Christbaumschmuck, im Hintergrund stehen ein paar Militärgestalten am hellen Eingang zu dem Mausoleum, das vermutlich ein Frachtflugzeug ist.
„Land Speed Record“ war die erste Platte von Hüsker Dü, und sie sagt auf einen Blick all das, was uns in Deutschland Heinrich Böll, Günter Grass und Wolfgang Borchert sagen wollten: Nie wieder Krieg!
Bob Mould, Grant Hart und Greg Norton waren gerade 20, als sie diesen Erstschlag führten, eine Platte wie ein Überschallbomber, gegen die The Clash wie Volksmusik anmuteten und sogar die Sex Pistols wie Lausbuben. Hüsker Dü hatten sich in Minneapolis zusammen- gefunden, natürlich im Plattenladen getroffen, und die Verbindung von zwei schwulen Drogensüchtigen und einem Asketen mit Zwirbelbart hätte explosiver nicht sein können. Sie schrieben keine Songs, sie machten reinen, weißen, höllischen Krach.
Hüsker Dü waren endlich das, wovor die Eltern immer gewarnt hatten, ohne es sich vorstellen zu können. In zwei Minuten verrichteten sie ein Zerstörungswerk ohne Melodien, aber mit Gebrüll. „Land Speed Record“ wurde nicht im Studio, sondern live aufgenommen. Statt Strukturen gab es nur Gewaltausbrüche, die „Don’t Try To Call“, „I’m Not Interested“, „Don’t Have A Life“, „Tired Of Doing Things“, „Ultracore“ und „Let’s Go Die“ hießen. Nihilismus auf amerikanisch.
Bob Mould konsumierte damals angeblich so viele Amphetamine, dass sie keine Wirkung mehr hatten, und rieb sich Speed unter die Augenlider. Grant Hart nahm später Heroin. Greg Norton wurde Koch. Mit 27 waren Hüsker Dü ausgebrannt wie alte Männer. Sie hinerliessen ein fast makelloses Werk. Sie waren die Schnellsten. Sie waren die Lautesten.
Und „Land Speed Record“ zeigt heute, da es wieder so weit ist, dass sie auch die Haltbarsten sind.
SST, 1981