Hüpfball-kompatible Musik
Geheimnisse besitzt die britische Popszene für Sean O’Hagan keine mehr, der Mann traut sich sogar laut zu sagen, wann und wie Robbie Williams sich lächerlich gemacht hat. „Im Grunde weiß es doch jeder“, formuliert der Häuptling der High Llamas diesen wie auch jeden anderen seiner Sätze klug und feinsinnig, „dass sich in Großbritannien noch ein bisschen weniger gute hinter noch ein wenig mehr richtig schlechter Musik versteckt als anderswo.“
Und weil kein Musiker ausgerechnet die eigene Gruppe in falsche Kategorien sortiert wissen möchte, schickt Sean O’Hagan noch ein relativ simples Hausrezept hinterher. „Man muss halt aufpassen, nicht mit der Industrie auf derselben Wellenlänge zu funken. Weshalb wir uns auch gern in Deutschland und Japan, Frankreich und Amerika nach zeitgemäßen Anregungen umsehen.“ Wodurch man zwar zur Marginalie im eigenen Lande werde, „aber unsere Musik würde sich hier wohl auch als Hype nicht besser verkaufen.“
Schade eigentlich, denn ihr mittlerweile fünftes Album „Snawbug“ ist weit davon entfernt, selbst eingefleischten Radiohörern Magengrimmen zu bereiten. Sonnig, heiter und gelegentlich auch so ein bisschen träge lächeln sich O’Hagan und Kumpane durch ein Repertoire, das an französische Entertainer von Serge Gainsbourg bis Francis Lai ebenso erinnert wie an Soundtracks zu Sixties-TV-Serials. Musik halt, zu der man sich gern auf einem Flokati im Londoner Hyde Park rekelte, um die Schmetterlinge bei ihrem Hochzeitsflug zu beobachten.
Für die Sonnenseiten des Lebens aber, davon ist Sean O’Hagan felsenfest überzeugt, „hat der Pop für Erwachsene noch immer nicht die passende Optik gefunden. Als Musiker wirst du bis heute doch nur ernstgenommen, wenn du als unglücklicher, sorgengebeugter und schwarzmalender Alien durch die Gegend läufst und dir jedes Mal eine Auszeit verschreibst, wenn im Publikum nicht mehr nur verstörte Gesichter zu entdecken sind.“
Dabei habe doch schon der geniale Sun Ra höchst experimentelle und anspruchsvolle Musik gemacht, „zu der trotzdem Kinder mit ihrem Hüpfball über Sommerwiesen springen können. Das wollte nur keiner wahrhaben, das ist den Leuten einfach zu profan und deshalb peinlich.“ – Wie peinlich.
Damit den High Llamas kurz vor ihrem zweiten Karriere-Jahrzehnt nicht der Elan abhanden kommen sollte, hatte O’Hagan sich für“5no»’tttg“die nötige Zeit zum Pläneschmieden gegönnt. Irgendwann kam er dann mit fertig geschriebenen Songs ins Studio, „hatte aber, anders als früher, noch kein einziges Arrangement gemacht. Ich wollte warten, was der Band so einfallt Und ich musste den Jungs langsam klarmachen, dass die High Llamas weit weniger von meiner Person abhängen, als sie und, ehrlich gesagt, auch ich bisher geglaubt hatten.“
Aha, deshalb klingt „Snowbug“ nun so wunderbar flockig und so herrlich unangestrengt. Hüpfball-kompatible Musik eben. Und ergo auch ganz anders, um noch einmal darauf zurückzukommen, ab das jüngste Solo-Album von Robbie Williams. „Der hat doch tatsächlich geglaubt, keiner ließe ihn mehr eine Platte aufnehmen, wenn er nicht mindestens so böse klingen würde wie Oasis. Wie pathetisch, vorhersehbar und lachhaft das Ergebnis auch immer ausfallen mag. Ich find’s interessanter mir zu überlegen, ob es nicht auch andere Möglichkeiten gibt, sich als Alternative zu empfehlen. Und ich denke inzwischen mehr denn je: Es gibt sie, diese Möglichkeiten!“
Wir, lieber Sean O’Hagan, denken diesbezüglich übrigens genauso.