Horizont erweitert
Das transatlantische Bündnis zwischen The Notwist und den US-HipHoppern Themselves hat unter dem Namen 13 & God eine tolle Platte abgeworfen
Das Ärgerliche am Rock’n’Roll ist, daß er sich zu Tode gesiegt hat. All die großartigen Posen, der Hunger nach Veränderung, all die einst so romantisch wahren Haltungen sind zu einer Frisurenfrage verkommen. Die logische Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist die Inszenierung des eigenen Verschwindens. Der Rückzug in autonome Zonen, wo Menschsein und Kunst noch nicht voneinander getrennt sind. In den kreativen Nischen der Independent-Kultur findet dieser Prozeß mehr oder weniger notgedrungen schon seit längerem statt, und das gilt natürlich auch für HipHop, wo längst die gleichen Zustände herrschen wie im Rock’n’Roll.
Da ist ein so unaufgeregtes Projekt wie 13 & God eine wahre Freude: introvertierter Elektro-Rock trifft Songwriter-HipHop. Die Bayern von The Notwist haben ein transatlantisches Bündnis geschlossen mit dem kalifornischen HipHop-Kollektiv Themselves, auch das Album heißt „D & God“. Getroffen haben sie sich bei der Deutschland-Tour von Themselves vor zwei Jahren. Man war bereits Fan der jeweils anderen Band und ist seitdem zweimal gemeinsam durch die USA getourt. Freundschaften entwickelten sich, im Vorfeld der Album-Produktion wurden reichlich Musikdateien hin- und hergemailt Im September letzten Jahres dann verschwanden die Gebrüder Acher und Martin „Console“ Gretschmann von The Notwist mit den Themselves-Leuten Doseone, Jeffrey Logan und Dax Pierson im Münchner Studio. „Themselves haben eine andere Art, mit Elektronik umzugehen“, sagt Sänger Markus Acher.
„Eben nicht dieses typische Schlafzimmer-Produzenten-Ding. Themselves setzen die Elektronik wie eine Sammlung richtiger Instrumente ein. Das hat uns sehr beeindruckt und inspiriert, weil wir diesen Spaß am Spielen und Ausprobieren ein wenig verloren hatten.“ Die Musik, die dabei entstanden ist, hat nichts Plakatives, kennt keine Ausrufezeichen: „Man Of Station“ ist ein kunstvoll zarter Popsong mit reichlich Soundspielereien und dem eigenartigen Beat der MPC – einem von Hand gespielten Sampler. „Superman On Ice“ basiert auf einem von Themselves digital bearbeiteten Streicherquartett, das Micha Acher für die Präsentation des letzen Notwist-Albums „Neon Golden“ geschrieben hatte. Doseone rappt dazu wie ein Eminem, der seine feminine Seite entdeckt.
Das Tolle an diesem wunderbaren Dokument ist, daß es jene leise Kraft besitzt, von der der Themselves-Rapper schwärmt: „Das Mächtigste, was Musik bewirken kann, ist, die Tiefe deines Charakters zu verändern, in der Zurückgezogenheit des eigenen Schlafzimmers.“ Die Frage des richtigen Haargels ist da eher nebensächlich.