Home Again
Grace Maxwell schreibt über die Genesung ihres Partners Edwyn Collins
Paargeschichten im Rock’n’Roll gehen selten gut aus. John & Yoko, Ike & Tina, Sonny & Cher: Drama, wohin man schaut. Zu groß ist die Egozentrik der Musiker. Zu wenig Chancen erhalten all die Dinge, die eine lange Beziehung größer machen als den ewigen Pendelverkehr: Vertrauen, Geborgenheit, Seelenverwandtschaft.
Fragt man Grace Maxwell, welche Eigenschaft in den vergangenen viereinhalb Jahren an der Seite ihres Partners Edwyn Collins die wichtigste war, votiert sie sofort für Geduld – und ergänzt fröhlich: „Nicht gerade romantisch, oder?“ Sicher nicht, aber es war auch alles andere als eine romantische Zeit. Collins erlitt im Februar 2005 zwei Schlaganfälle. Die Blutungen verwüsteten sein Gehirn. Zwar kam er knapp mit dem Leben davon, doch der stolze Individualist wurde auf die Entwicklungsstufe eines Neugeborenen zurückgeworfen: Collins konnte zunächst weder laufen, noch reden, lachen, singen.
Als er aus dem Koma erwachte, war Grace Maxwell an seiner Seite: „Er wusste zwar kaum, wo oben und unten ist. Aber ich spürte sofort, dass ihm eines bewusst war: Er muss raus aus diesem Krankenbett. Er will sein Leben zurück.“ Die Ärzte warnten, dass das so schnell nicht funktionieren kann. Doch Edwyn und Grace verloren keine Zeit und gingen ihr Großprojekt an: „The Restoration Of Edwyn Collins“ so lautet auch der Untertitel des Buches „Falling & Laughing“ (Ebury Press), das Grace Maxwell nun geschrieben hat.
Sie erzählt vom langen gemeinsamen Weg, der die beiden zunächst durch das Elend des Klinikalltags führte, in dem der medizinische Apparat die Patienten bevormundet und das Essen von unfassbar schlechter Qualität ist. Die Autorin fordert, man solle allen Gesundheitspolitikern eine Woche lang mit diesem Fraß zwangsernähren, denn nur so könne sich etwas ändern. Recht so!
Die Düsternis verschwindet erst im Kapitel „Home Again“: Collins kehrt nach einem halben Jahr zurück in sein Haus in Kilburn, London. Gemeinsam hören sie die alten 45s. Er erobert sich die Welt der Sprache, des künstlerischen Ausdrucks und schließlich auch des Singens zurück – und Grace Maxwell schreibt darüber mit großer Bewunderung für diesen unbedingten Willen.
Ende August feierte Collins seinen 50. Geburtstag in seiner Geburtsstadt Edinburgh. Er zeigte sich stolz den alten Weggefährten und sang, begleitet vom alten Orange Juice-Freund Malcolm Ross, seine großen Songs: „Rip It Up“, „Consolation Prize“, „What Presence?!“, natürlich auch „A Girl Like You“. Beim Sprechen stockt er noch, zum Laufen braucht er einen Stock – doch wenn er singt, ist er beinahe der Alte. Und er schreibt wieder! Zwei neue Lieder gab es zu hören, auch sie reflektieren die vergangenen viereinhalb Jahre. „Es handelt alles von ihm. Mehr interessiert ihn nicht“, sagt Grace Maxwell – und lacht wieder fröhlich, weil sie weiß, dass diese Paargeschichte nur deshalb ein Happy End finden konnte, weil der Egozentriker zurück ist.