Holla, die Waldfee

Die kanadische Songschreiberin Sarah Slean hat den ganz normalen Psycho-Terror überstanden

Unfair könnte man es nennen, auch Sarah Slean gleich wieder mit ihrer Herkunft zu kommen. Ihr ihre Sicht auf das kanadische Ding abzufordern, das uns ja zuletzt Landsfrau kd lang mit ihren müden „Hymns Of The 49th Parallel“ nicht wesentlich näher bringen konnte. Doch es klingt nicht nur nach Höflichkeit um des Eisbrechens willen, wenn die 26-Jährige aus Toronto entgegnet, daß das wirklich „eine gute Frage“ sei…

Dann spricht Sarah Slean halb aufgeräumt, halb aufgekratzt natürlich von der Tradition, von den bekannten Namen, dann von „the new crop“, die jetzt gerade schwer im Kommen sei, und zu der sie sich natürlich auch zählt Die Abgrenzung zu „unseren südlichen Nachbarn“ darf nicht fehlen; weniger Hunger auf Ruhm, weniger Gewalt, kurz: „Wir springen dir nicht so direkt ins Gesicht“ Danke, dafür. Und: „Wir haben einfach die Zeit und den Raum zu denken. Es ist eine kontemplative Kultur bei uns.“

Slean hatte, laut Promo-Verlautbarung, da draußen in „der Zurückgezogenheit eines Landhauses“ (hach™) soviel Zeit fürs Kontemplative, dass sie uns optisch auf ihrem neuen Album gleich mit zwei Gesichtern kommt Auf dem Cover von „Day One“ gibt sie eine liebesrotgemundete Inkarnation der jüngeren Christine Kaufmann. Hinten dann: die Slean als blasser, gefallener Engel, der freilich den Sinkflug schon überstanden hat Ja, sagt sie freudig, das Album sollte halt „wie ein Buch sein“. Von wegen: Lange Reise, die ganze Geschichte, die „Metamorphose im Wald“. Da mutierte die blaue Feder im Haar doch glatt zu Flügeln, aus dem Rücken wachsend. „Wir kämpfen und lernen.“

Das sind natürlich alles andere als originelle Bilder für das ganz normale Psycho-Theater, die Slean da oben im nachdenkenden Kanada eingefallen sind. Aber hauptberuflich ist sie ja glücklicherweise nicht Art-Directorin oder gar Buchautorin, sondern halt Sängerin und Songschreiberin. Und als solche gelingt ihr „Day One“ zwischen einem Trauermarsch gen „California“ und ganz viel aufgehender Sonne allemal der erfrischende Spagat einer Frau, die zwischendurch halt nicht mehr wußte, wo ihr der Kopf steht und ob das Herz noch schlägt. Das tut’s jetzt wieder. Und wie! „I’m spreading love like a terrorist now“ droht sie gar im putzmunteren Titelsong – ihre Antwort auf Richard Thompson, der sich bekanntlich schon mal so gut fühlte, daß es ihn nächtens nur noch trieb, das nächstbeste Herz zu brechen. Unter „Vergleiche“ kann man die üblichen Verdächtigen eintragen, Damen am Klavier vor allem. Und dann alles am besten gleich wieder vergessen. Die Vergleiche, die Verdächtigen, nur Sarah Slean vielleicht doch nicht gleich.

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