Hörtipp: Depeche Mode live 1993 auf BBC 2
60 Minuten aus der „Songs of Faith and Devotion“-Ära
Die BBC2 hat auf ihrer Website seit Samstag (11. November 2023) ein Depeche-Mode-Konzert der „Songs of Faith and Devotion“-Tour auf Abruf. Der Auftritt aus dem Londoner Crystal Palace ist noch bis Mitte Dezember dieses Jahres online.
Songs of Faith and Devotion (1993)
Er trug jetzt lange Haare, lebte zwölf Jahre nach Karrierebeginn seinen Rockertraum aus der Jugend, liebte den „Moonage Daydream“ und Jane’s Addiction, aber Dave Gahan wusste auch, dass an den Fans seinen Wandel behutsam verkaufen musste. Er hatte, wie er sang, reine Gedanken – sie waren nicht unreif: „If you see purity as immaturity / Well, it’s no surprise / For kindness, you substitute blindness /Please open your eyes“. Leute, macht die Augen auf – dies waren Depeche Mode 1993.
Gahan wollte „Condemnation“, als Vorabsingle für „Songs Of Faith And Devotion“ durchboxen, was für die Band einer Revolution gleichgekommen wäre. Das Lied war ein Gospel und marschierte zeremoniell, getragen vor sich hin. Martin Gore legte sein Veto ein.
Mit „I Feel You“ als erste Auskopplung führten Depeche Mode dann den Triumphzug ihrer Energiebatzen – „Never Let me Down Again“, „Personal Jesus“ – fort. Die simple Blues-Gitarre, deren monotones Spiel allein schon fast wie Onanie aussah, erhielt im Refrain mit Gahans gespucktem „By and By“ sowie Gores „Ah, Ahh, Ahhh!“-Backgroundgesang das kongenialste Zusammenspiel der beiden Musiker, hands down. „I Feel You“ war die Geburt Dave Gahans als Schamane, wie er die Rolle bis heute inszeniert. Und zum ersten Mal ließ er völlig vergessen, dass er Texte eines anderen sang.
In den Linernotes des „Songs Of Faith And Devotion“-Reissues von 2006 beklagte Produzent Flood, dass zu wenig Zeit für Polituren zur Verfügung gestanden hätte. Für die Hörer aber klang die Platte vollkommen. Allein, was Flood und Alan Wilder aus dem (Jahre später veröffentlichten) Gore-Demo von „I Feel You“ herausgeholt haben. Die Seele des Stücks ist in der Rohfassung zwar zu erkennen, der Sound aber erinnerte an die schmalen Skizzen der „Sounds Of The Universe“-Demos von 2009, die in fertiger Produktion wenig besser klangen.
Die Streicher von „One Caress“ bewiesen auf dem Album noch jenes orchestrale Volumen, die die Arrangements ab dem Nachfolger „Ultra“ von 1997 vermissen ließen. Tim Simenon, der „Ultra“ einrichtete, verwendete etwa in „Home“ den Bristol-Sound, bei dem Geiger klingen wie aus dem Keyboard.