Highdelberger grüne Welle
Hart am Bedarf der alternativen Leser, veröffentlicht WERNER PIEPER, Ver- leger und Lebenskünstler, seit 30 Jahren Kiffer-Fibeln und Öko-Ratgeber
Frage: Wie wird ein Koch zum Verleger? Antwort: Indem er weniger kocht, dafür viel reist, fleißig kifft, häufig Rockkonzerte besucht und ausdauernd kommuniziert – mit Interessanten und Interessierten. Sojedenfalls hat es erfolgreich Werner Pieper getan, dessen Verlag „The Grüne Kraft“ jetzt das 30. Jubiläum feiert und dem sein Kollege Lutz Kroth, Chef vom „2001 Verlag“, einmal bescheinigte, er sei „der meist unterschätzte Verleger Deutschlands“.
Piepet, inzwischen 53, hängte Ende der Sechziger den Kochlöffel an den Nagel und ging auf Wanderschaft, die – obwohl er schon lange in der Alten Schmiede zu Löhrbach im Odenwald angekommen ist – längst noch nicht beendet ist. Pieper ist ein Umtriebiger, ein Schamane, ein Visionär, ein Revoluzzer, ein heiliger Narr – ständig in Bewegung, ständig alles in Frage stellend, ständig alles verändernd.
Anfang der Siebziger landete er auf seiner Wanderschaft in Heidelberg („Highdelberg“), wo er Mitbegründer der „Grünen Hilfe“ wurde, einer Organisation, die sich für die Belange wegen Drogen inhaftierter Hippies einsetzte und unter anderem Benefizkonzerte veranstaltete. Damals war Pieper, wie er heute gesteht, selbst noch aktiver Hasch- und LSD-Dealer. Nebenbei verdealte Pieper aber auch noch,,Päng“, das Underground-Magazin des irrlichternden Landkommunarden Raymond Martin, bis es ihn eines Tages in den Fingern juckte, ein eigenes Magazin unters Volk zu bringen. Und so entstand „Der Grüne Zweig“, ein unregelmäßig erscheinendes Blatt, das thematisch keine Grenzen kannte und kennt.
Pieper: ,“Der Grüne Zweig‘ war nicht festgelegt. Er sollte je nach Inhalt verschieden aussehen, gedruckt, gemalt, gezeichnet, getippt, geschrieben, in allen Formen und Möglichkeiten. Er sollte spielerisch neu erfinden, was eine Zeitschrift sein kann. Eine Zeitung im alten Sinne: Kunde, Botschaft, ohne ideolgisches Konzept. Kritisch, zärtlich, sehnsüchtig, versponnen, skurril, theoretisch, praktisch – Natur und Kultur in einem.“ Und so hat „Der Grüne Zweig“ bis heute keines der von der bürgerlichen Presse sträflichst vernachlässigten Themen ausgelassen, von den Indianern heute über die Drogen im heimischen Wald bis hin zum Rock-’n’Roll in der Architektur.
Nur wenige Jahre später war Pieper verlegerisch vollends auf den grünen Zweig gekommen, denn nun brachte er noch die beiden alternativen Blätter „Kompost“ und,,Humus“ heraus – und jede Menge Bücher. Zu Letzteren später, denn bei derart viel Grün drängt sich zunächst einmal die Frage auf, ob Pieper nicht bei der Gründung der Grünen seine Finger im Spiel hatte. Der Herr Verleger lacht und sagt: „Die kamen ja erst zehn Jahre späten Ich sehe mich nicht als ein Vorläufen aber ich werde manchmal als einer gesehen, und ich kann das schmunzelnd auch irgendwie nachvollziehen. Es kommt natürlich darauf an, wer es sagt. Als mich Tim Leary auf einer Bühne in Hollywood zum Erfinder der Grünen in Europa‘ hochkatapultieite, da konnte ich einfach nur grinsen und hab gedacht, naja, that’s Hollywood. Nein, das hat eher etwas mit dem Zeitgeist zu tun. Vielleicht bin ich etwas schneller gesurft als all die Anderen.“
Pieper wäre ein schlechter Verleger, hätte er den Zeitschriften nicht bald auch Bücher folgen lassen. Unter dem Rubrum „MedienXperiemente“ erschien bei „The Grüne Kraft“ fortan absolut alles, wonach es dem alternativen Konsumenten verlangte, vom „Hanf Handbuch“ über die „Hacker Bibel“ und „Mark Twain in Heidelberg“ bis hin zum „ScheissBuch“, Untertitel „Entstehung, Nutzung und Entsorgung menschlicher Fäkalien“.
Aber wer partout nicht lesen will, der kann bei Pieper auch hören; „Transmitter“ heißt sein Label, auf dem es so Obskures wie „Timothy Leary live im Sauerland“, Witziges wie “ Grmicho Marx live!“oder Kultiges wie „GratefulDead live in Essen ’81“ zu vernehmen gibt Zum Schluss erklärt Pieper sein Verlagskonzept: „Ich hangle mich von Tag zu Tag durch. Länger als drei Monate plane ich nie voraus.“ Sprichts, verabschiedet sich, um sich mit seinem Geistesverwandten Howard Marx zutreffen – auf dass auf hiesigen Böden nie mehr ein Joint verglimmen möge. Onward through thefog, Pieper, und Gratulation zum Dreißigsten!