Herzenssache
Oneida aus New York streiten für Chaos und Lärm und Freiheit
Dick ist Fat Bobby schon lange nicht mehr – er heißt bloß noch so. Denn zum Speck anzusetzen hat der Gitarrist und Keyboarder von Oneida einfach keine Zeit. Das New Yorker Trio ist permanent unterwegs diesen Monat in Deutschland. Und wenn gerade mal keine Tour ansteht, geht es mindestens dreimal die Woche in den Proberaum. Außerdem schuften Fat Bobby, Kid Millions und Hanoi Jane (trotz des Künstlernamens ein Mann) in eher unglamourösen Berufen wie Büroangestellter, Programmierer und Verlagsangestellter. „Ich nehme jeden Job, den ich kriegen kann“, behauptet Bobby ohne einen Hauch von Ironie. „New York ist ein teurer Platz zum Leben, und wir machen nicht gerade die Sorte Musik, mit der man reich wird.“
Dass zickiger Rock aus New York wie ihn letztlich auch Oneida machen gerade das Ding schlechthin ist, will unser Mann nicht akzeptieren: „Natürlich gibt’s hier einige gute Bands – zum Beispiel die Liars, mit denen wir eine EP gemacht haben. Aber der Erfolg dieser Bands fördert Imitationen, und Imitatoren machen selten gute Musik“, tropft es abfällig aus dem Mund eines Musikers, der Rap-Funk von ESG ebenso liebt wie den Acid- Folk der Incredible String Band.
Oneida haben beschlossen, den harten, beschwerlichen Weg von Visionären zu gehen. Schon der Name bezieht sich auf eine Sekte, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Oneida/New York neue Lebensformen ausprobierte: „Es gab freie Liebe, Gruppenheirat, Kinder wurden kollektiv erzogen. Andererseits war das Oberhaupt eine Art Kult-Führer, der sich bei jungen Mädchen das Recht der Entjungferung nahm. Uns haben diese Unstimmigkeiten fasziniert, weil auch wir als Band voller Widersprüche sind.“
Die Musik wird der Aussage gerecht. Seit 1997 sind sechs überwältigende Alben mit lärmendem Gitarrenrock erschienen, die es zum Teil bis in die Jahres-Charts der „New York Times“ geschafft haben.“Secret Wars“, das neueste Werk, wurde nun von Rough Trade veröffentlicht. „Ein sehr kontrolliertes Album“, findet Bobby, „doch unter der Oberfläche liegt die gleiche Paranoia wie bei früheren Platten.“ Blumiger formuliert: „Secret Wars ist wie ein Wintertag, dessen frostige Schönheit einen vergessen lässt, wie schmerzhaft kalt die Luft ist. Oneida ist bestimmt keine Band für jedermann, dafür ist ihr Entwurf einer neuen, freien Rockmusik zu kühn. Doch wer sie laut hört und live sieht, wird Oneida ganz bestimmt so schnell nicht vergessen.