Herz macht weiter Beat
Westbam entdeckt seinen Werkcharakter
Will der Kerl auf seine alten Tage noch ein Popstar werden? Westbam, eigentlich Maximilian Lenz, früher mal Westfalia Bambaataa, hatte ja schon letztes Jahr bei der deutschen Grand-Prix-Konkurrenz einen todesverachtend selbstbewußten Auftritt.
Er singt jetzt auch, zumindest einen bestimmten Ton, und den trifft er. Und zur neuen Platte „Do You Believe in The Westworld?“ hat er eine Tour angekündigt, bei der er als Keyboarder einer Band auftreten will. „In den 90ern, in den frühen Jahren der Techno-Bewegung ging es mir auch mehr um ein Sozial-Ding“, sagt Westbam, der Bär, mit dem man sich bekanntlich super und witzig unterhalten kann. „In den letzten Jahren hat allerdings mein individuelles Sendungsbewußtsein wieder zugenommen.“ Daß Leute neue Rockbands wie die Hives lieben können, versteht Westbam noch immer nicht, seine kleine Gruppe hat einen anderen Zweck: „Beim Auflegen geht es darum, ein musikalisches Werk aufzulösen, Dinge miteinander zu kombinieren. Aber ich finde, daß ich mittlerweile ein Werk habe, das als solches im Konzert präsentiert werden soll.“ Ein Verbot hat er daher erlassen: Keine Plattenspieler auf der Bühne!
Phillip Boa darf auch mal sentimental sein
Ein Girl von der Konzertagentur überraschte den Künstler mit selbstgemachtem T-Shirt. „Phillip Boa – Making Noise Since ’85“ stand da im Stil einer Whisky-Reklame, und das fand er so gut und beeindruckend (schon 20 Jahre!), daß er gleich ein Lied mit dem Titel schrieb. „Eigentlich müßte ich ihr einen Song-Credit dafür geben“, murmelt Boa in seiner berühmten Mischung aus Blasiert- und Beladenheit, aus „Decadence & Isolation“, so heißt die neue Platte. Eine kleine Rückkehr: Schräg-Sängerin Pia Lund ist wieder dabei, „sie hatte keine Lust mehr, nichts zu tun“, sagt Boa. Motor Music steht wieder auf dem Label, obwohl Tim Renner die Firma erst neu gründen mußte – und obwohl es, so hört man, schon wieder gekracht hat zwischen den zwei alten Freunden. Ein wenig scheint der notorisch unsentimentale Boa die gloriosen Zeiten seiner Karriere zu vermissen – diverse Fehler sieht er sogar großmütig ein: „Ich war zu einigen Leuten böse. Wenn mir Leute beim Interview sagten, sie fänden meine Platten langweilig, hab ich geantwortet: Geh doch nach Hause und laß mir meine Ruhe!“
Mitten im Rückblick mußte er sich und den Voodooclub freilich aktualisieren, mit den zwei Produzenten und Gitarren-Stilmeistern Swen Meyer (Kettcar) und Gordon Raphael, dem Strokes-Miterfinder, der jetzt in Berlin wohnt. Boa war beim Strokes-Konzert, „da hätte ich nur junge Leute erwartet, aber die meisten waren in meinem Alter. Meine Generation weigert sich, alt zu werden.“ Wer so volle Haare hat, kann sich’s leisten.