Herz aus Keks
Der Grunge-Boy hat sich bestens entwickelt. Er kämmt sich die Haare wieder hübsch, er trägt eng anliegende Hemden. Und anstatt in einer hoffnungsarmen Alternative-Band wie Sau zu rocken, singt Maximilian Hecker luftige, herbstliche Pop-Musik. Damals, als er mit den Klassenkameraden die ersten Nächte durchmachte und man mit Alkohol experimentierte, waren jedenfalls immer Nirvana-Kassetten gelaufen. „Und wir dachten, was für ein tolles Leben die haben müssen, haben uns die Haare gefärbt und uns Second-Hand-Klamotten gekauft“, sagt Hecker, der mit 24 über seine Teenager-Jahre wie über verdammt alte Zeiten redet. „Meine Eltern fanden das nicht so toll“, ergänzt er. Nicht abfällig. Im Nachhinein scheint er sie zu verstehen.
Derzeit ist Maximilian Hecker selbst sein penibelster Kritiker. Der junge Mann aus Berlin gilt in der deutschen Indie-Community seit der Veröffentlichung der ersten Platte „Infinite Lome Songs“ ab nächster Superstar, weil seine Lieder die alten Smiths-Fans und die heranwachsenden Sportjacken-Träger gleichermaßen ansprechen. So ist es an ihm, alles vorwegzunehmen, was man einwenden könnte: „Immer denke ich, dass ich ein Möchtegern bin. Die Engländer könnten gut sagen: ,Was will der überhaupt?‘ Ich bin eben nicht aus Manchester, ich bin nicht Liam Gallagher, höchstens einer, der seine Frisur übernommen hat.“ Nach der Nirvana-Phase, Sie haben es gemerkt, kam der Oasis-Wahn.
Viele Menschen in Berlin erinnern sich an den Jungen, der mitten im Winter am Hackeschen Markt stand und zur Gitarre „Live Forever“ sang. Maximilian Hecker war aus dem Heimatnest bei Osnabrück eigentlich nur in die Hauptstadt gezogen, weil er eine Krankenpflegerlehre machen wollte. Das mit der Musik bekam eine Eigendynamik, als ein Straßenmusiker-Kollege ihn zu einer Party mitnahm. Inga Humpe war dort, ausgerechnet mit ihr kam der scheue Maximilian ins Gespräch. Später mit Ex-Lassie-Singer Almut Klotz, die ihn zur Bandprobe einlud, wo gleich noch Jim Avignon auftauchte, Comic-Zeichner und In-Musiker. Dass er in so kurzer Zeit so viele wichtige Leute kennenlernte, dass er nur dadurch so schnell zur eigenen Platte beim Kitty-b-Label kam, wundert Hecker anscheinend gar nicht. Es wirkt, als ob er mit den Detail-Überlegungen, mit dem Für und Wider des Popstar-Daseins so sehr beschäftigt war, dass er gar nicht merkte, wie ihm die credibility einfach zuflog.
Wer gerne von fallenden Blättern und von Herzen träumt, die wie englische Kekse zerbrechen, wenn Hecker im Falsett über die Sehnsucht singt, sollte ihn nie zur Entstehung seiner Songs befragen. Dann erzählt Hecker nämlich von Akkordfolgen, die er gezielt einsetzt, von Streichereinsätzen, die Eindruck schinden: „Wenn man das in seiner Gesamtheit hört und glaubt, dass ich das als Geniestreich im Fieberwahn geschrieben habe, akzeptiert man das auch.“ Romantik, maximal aufgeklärt.