herausfordernd: In London fand EILEEN ROSE das richtige Umfeld für ihre komplexen Songs – unter einem Friseursalon
Als sie im Sommer 1991 nach London kam, wollte sie „höchstens ein Jahr bleiben“. Inzwischen sind über zehn daraus geworden, und die Großfamilie in der Heimat nahe Boston glaubt ihr längst nicht mehr, wenn sie ihre Rückkehr mal wieder für „dieses Jahr“ in Aussicht stellt.
Dass Eileen Rose Giadone, die jüngste, zugleich auch die verlorene Tochter unter nicht weniger als neun Geschwistern werden sollte, hatte sich früh angedeutet. Zu den „running jokes“ der italo-irischen Sippe gehörte, dass Klein Eileen mal wieder irgendwo vergessen wurde. Am Strand. Oder mit fünf auf einer riesigen Parade. „Meine arme Mutter! Soviele Kinder, dazu noch zig Cousins. Da musste ja eins verloren gehen. Aber das war immer ich. Ein Polizist fand mich schlafend unter einem Busch (lacht). Meine Mutter holte mich ab, und ich sagte nur: Oh, hi Mom!“
In ihrer Wahlheimat brauchte die lebhafte End-Dreißigerin lange und diverse Bands, bis vor zwei Jahren endlich ihr Solo-Debüt „Shine Like It Does“ erscheinen konnte. In solchen Fällen hört man sonst viel von verpassten Chancen und bösen Branchenbuben. Eileen Rose aber antwortet entwaffnend schlagfertig. „Ich brauchte so lange, um gut zu werden. Ich hätte diese Songs noch nicht schreiben können – weil sie noch nicht Teil meiner Erfahrungen waren.“
„Shine Like It Does“ deutete ihr Potenzial an, das neue Album „Long Shot Novena“ spielt es resoluter aus. Was Rose neben gestiegenem Selbstbewusstsein mit den lässigen Sessions im kleinen Heimstudio von Del Amitri-Gitarrist Iain Harvie erklärt, wo auch Musiker von Alabama 3 ohne Zeitdruck aushalfen. „Hatte ich nicht das Feeling für einen Song, konnte ich ihn schieben, ohne mich sorgen zu müssen, dass ich gerade 2000 Pfund verpulvere.“ Blöd nur: der Frisiersalon über dem Studio. -Wir konnten erst ab sechs Uhr abends richtig Krach machen“, lacht Rose. Tagsüber surrte schon mal die Trockenhaube, wenn sie sich akustisch versuchte. Rose: „Das kann man ruhig hören. Es muss nicht alles perfekt sein. Aber ein Vibe, eine Stimmung muss da sein.“ Und der Wille, das Publikum nicht für dumm zu verkaufen. „Viele Platten heute sind herablassend, hübsch übersichtlich angeordnet, weil die Leute angeblich ja nicht zuviel denken wollen. Ich denke, die Leute wollen sich bewegen lassen, nicht bloß amüsiert werden. Und man kann sie auch herausfordern, weil ihre Gefühle so komplex sind wie deine und meine.“
Dass sie damit nicht unbedingt für „Top Of The Pops“ taugt, ist ihr klar. Klar ist aber auch ihre schöne Frage: „Wäre es nicht toll, wenn die Welt zu mir käme?“ Ein gutes Stück weit ist sie das ja schon, seit Eileen Rose in jenem Sommer vor fast elf Jahren nach London kam.