Erinnerung an Helmut Berger: Der schönste Mann der Welt
Der Liebhaber Viscontis wandelte später auf schmalem Grat, aber einen wie ihn gab es kein zweites Mal.
Es gibt einen wunderbaren Dokumentarfilm von Cordula Kablitz-Post, in dem man sieht, wie Helmut Berger nach Ischia zurückkehrt, wie er Luchino Viscontis Schlösschen zeigt und die Klippen und die Bucht, in der er einst geschwommen ist. In seinem alten Stammlokal freut sich der Wirt, nennt ihn „Maestro“ und serviert einen Hummer, Bergers Lieblingsessen. Man sieht Berger in seinem Heimatdorf bei Bad Ischl in Oberösterreich und im Taxi in Rom, wo ein Taxifahrer sich an Viscontis Filme mit Helmut Berger erinnert. Wir sehen den Regenten eines untergegangenen Reiches, dem des Kino-Adels und des Jetsets, der Grafen und Herzöge, der vererbten Vermögen, der Eleganz und der Exzentrik.
Helmut Berger, am 29. Mai 1944 geboren, liebte den Rock‘n‘Roll und den Boogie Woogie. Seine Eltern führten eine Gastwirtschaft, sie hatten wenig Zeit für den Buben, der Zahnarzt oder Krankenpfleger werden sollte. Er las aber lieber und träumte. Berger brannte durch: 1964 reiste er in die Schweiz, kurze Zeit nach Paris und dann nach London, wo er zwar die Prüfung der Schauspielschule nicht bestand, aber Julie Christie, Ursula Andress und David Hemmings kennenlernte, der 1966 mit Michelangelo Antonionis „Blow-Up“ berühmt wurde. Berger arbeitete als Kellner und Fotomodell. 1967 bekam er eine kleine Rolle in einem Film.
Dann entdeckte Luchino Visconti dieses Gesicht für „Die Verdammten“. Berger sollte einen Nazi spielen, was ihm missfiel – aber seine eisige Darstellung prägte nahezu alle künftigen Interpretationen. Von nun an konnte Helmut Berger nicht mehr unerkannt durch Rom gehen: Er war der schönste Mann der Welt. Billy Wilder wird das Bonmot zugeschrieben, dass der beste italienische Schauspieler leider ein Österreicher sei.
Visconti formte seinen Geliebten, wie Berger sehr wohl erkannte. Er war blond, er mochte Wagner-Opern nicht – aber Visconti sah ihn als Ludwig II.. Und so spielte er 1972 den verrückten Bayernkönig in Viscontis grösstem Wolkenkuckucksheim an der Seite von Romy Schneider. Zwei Jahre später war er in „Gewalt und Leidenschaft“ ein Bohemien im Haus eines alten Gelehrten, Burt Lancaster – Visconti erzählte hier ihre Geschichte.
Im März 1976 starb der Meisterregisseur, während Berger zu Freundinnen nach Rio de Janeiro flog. Nachdem er die Nachricht gehört hatte, reiste er sofort nach Rom zurück. Allitalia nahm kein Geld.
Helmut Berger bemerkte, dass die Günstlinge vom Hof Viscontis wegblieben. Man mied den früheren Liebling. „Alle Regisseure, mit denen ich gern gearbeitet hätte, waren ja tot“, sagt er in dem Dokumentarfilm „Mein Leben“. Nach Hollywood wollte er nie gehen. Er ging dann doch, um 1984 die desinteressierteste Darstellung eines Galans in „Dynasty“ zu spielen. Linda Evans und Joan Collins kannte er aus seiner Londoner Zeit, er sprach abschätzig über sie. Er mochte John Forsythe: „Der kann bleiben, wie er ist.“
Helmut Berger, das Enfant terrible, wurde Diva, Skandalnudel und Trunkenbold, kochte mit Alfred Biolek, spielte bei Christoph Schlingensief und war ein paar Tage im australischen Dschungelcamp. Seine Mutter besuchte er noch immer im Wirtshaus. Er war eine Gestalt wie in einem Stück des Landsmannes Thomas Bernhard.
In dem Film über sein Leben hat Helmut Berger eine unglaubliche Grandezza, wenn er in diesem Restaurant sitzt, in dem sich seit den 70er-Jahren nichts verändert hat. Er weiss, dass er sich verändert hat.
Und dass der Wirt lügt.
Am 18. Mai ist Helmut Berger im Schlaf gestorben, wenige Tage vor seinem 79. Geburtstag.